„Geschichten treiben mich an“
„Unsere Mütter, unsere Väter", „Deutschland 83", „Der Medicus": Die bekanntesten und national wie international erfolgreichsten deutschen TV-Filme und -Serien gehen auf sein Konto. Als Regisseur, Produzent, Hochschuldozent und Manager setzt Prof. Nico Hofmann seit über 20 Jahren Maßstäbe und gehört ohne Zweifel zu den führenden Fernsehschaffenden in Deutschland. So gilt er auch als Erfinder des „Event-Fernsehens", eines Genres, das reale historische Ereignisse durch das Erzählen fiktionaler Einzelschicksale emotional greifbar macht. Vorstand Tilman Wittershagen begrüßte den außergewöhnlichen Gast herzlich im Kreise der Wirtschaftsinitiative und bei den 92. Wirtschaftsgesprächen am Main. In einem lockeren Talk stand der Co-CEO der UFA GmbH, der die Managementverantwortung im nächsten Jahr komplett übernehmen wird, F.A.Z.-Herausgeber Werner D'Inka Rede und Antwort – und wusste auch den Standort FrankfurtRheinMain einzuordnen.
D'Inka: Herr Prof. Hofmann, die UFA gibt es seit 1917. Von „Metropolis" bis „Deutschland sucht den Superstar" ist es ein weiter Weg. Kann man die UFA als Gemischtwarenladen bezeichnen?
Hofmann: Ganz klar: Die UFA, die zu Bertelsmann gehört, ist heute einer der führenden Unterhaltungskonzerne in Europa. Sie können im deutschen Fernsehen auf allen wichtigen Sendern unsere Produktionen sehen. Vom Nachmittagstalk und der Daily Soap über die Castingshow bis zum Mehrteiler und der Spielfilmproduktion ist alles dabei. Der Konkurrenzkampf ist extrem groß, „sexy" Start-ups drängen in den Markt. Stellen Sie sich vor, Sie würden Spiegel, BILD und F.A.Z. gleichzeitig anbieten – das entspricht ungefähr dem Spagat, den wir leisten. Ja, wir bieten ein großes Spektrum an, das stimmt – und ist sehr herausfordernd.
D'Inka: Sie entwickeln sich vom Kreativen immer mehr zum Manager. Bedauern Sie das? Oder hat die Regie einfach keinen Spaß mehr gemacht?
Hofmann: Ich bedauere es und wollte es gleichzeitig so. Als Regisseur und Drehbuchautor habe ich begonnen, bin dann bewusst in den produzentischen und wirtschaftlichen Bereich gegangen. Daran ist aber auch Bernd Eichinger nicht ganz unschuldig. Als ich für ihn Regie führte, habe ich gesehen, wie kreativ der Produzentenjob ist. Da lässt sich einfach noch viel mehr bewegen. Zudem habe ich durch meine Lehrtätigkeit an der Filmakademie in Ludwigsburg viele Nachwuchsregisseure kennengelernt und Gefallen daran gefunden, diese vielversprechenden Talente produzentisch zu unterstützen. Wirtschaftlichkeit wird in TV und Film einfach immer wichtiger.
D'Inka: Wann spüren sie, ob eine Produktion erfolgreich wird?
Hofmann: Bei zeitgeschichtlichen Stoffen ist es wichtig, im Vorfeld zu schauen, wie stark sie in der täglichen Berichterstattung präsent sind. Wenn sie noch viel in den Medien stattfinden, sind sie fiktional schwierig umzusetzen. Das betrifft aktuell zum Beispiel das NSU- oder das Flüchtlingsthema. Natürlich lösen wir aber auch immer wieder Kontroversen aus und erzeugen Diskussionen, das ist gut und wichtig. Gerade bei „Unsere Mütter, unsere Väter" war das so. Darf man einen Film über die Nazizeit machen, der die deutsche Perspektive persönlich und emotional umsetzt? Ich finde: Ja. Einig Kritiker sehen das anders.
D'Inka: Sie gelten als besessener Arbeiter. Was treibt Sie an?
Hofmann: Es sind die Geschichten, die mich antreiben. Ich bin immer auf der Suche nach guten Stoffen – und ein nahezu manischer Leser von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern. Das Lesen hilft mir, erzählerische Trends aufzuspüren und dem Zeitgeist nachzuspüren.
D'Inka: Wie beurteilen Sie den Fernsehmarkt? Was bedeutet die Digitalisierung für Ihr Unternehmen? Und wie wird sich das Fernsehen verändern?
Hofmann: Die Deutschen sind nach wie vor die größten TV-Schauer der Welt, rund vier Stunden pro Tag. Das lineare Fernsehen wird vorläufig nicht aussterben, wenngleich das deutsche TV-Publikum zugegebenermaßen älter wird. Der Markt geht derzeit vor allem in die Breite. Abo-Plattformen wie Sky oder Netflix ziehen mächtig an. Für die UFA ist das gut, denn so steigt unser Auftragsvolumen. Nehmen Sie das Beispiel „Deutschland 83". Weltweit haben rund 17 Millionen Menschen unseren Erfolgsmehrteiler abgerufen. In der TV-Ausstrahlung auf RTL wollten ihn nur 1,4 Millionen Zuschauer sehen. In Sachen Digitalisierung sind wir zudem sehr aktiv, neue Monetarisierungsmodelle aufzubauen und mit Partnern umzusetzen.
Zum Abschluss des Talks waren die Gäste an der Reihe und nutzten zahlreich die Gelegenheit, Prof. Hofmann Fragen zu stellen. Die spannendste: Wie sehen Sie FrankfurtRheinMain? Was können wir besser machen?
Hofmann: Geboren in Heidelberg und aufgewachsen in Mannheim als Sohn einer F.A.Z.-Redakteurin, habe ich eine natürliche Nähe zu Rhein-Main. Ich kenne Frankfurt und auch Mainz sehr gut, war und bin oft und gerne hier. Auch meine Intendanten-Tätigkeit bei den Nibelungen-Festspielen in Worms spielt hier hinein. In der Tat wird die Region von außen meist nur mit den Banken assoziiert, was natürlich falsch ist. An Frankfurt beeindruckt mich immer wieder das große Bürgerengagement. Ich finde: Sie müssen hier gar nicht so viel ändern. Außer vielleicht ein bisschen mehr Filmförderung. Da liegen Berlin und Bayern nämlich etwa zehnmal so hoch.