„Wir brauchen mehr Klarheit – und einen engen Schulterschluss aller Akteure“
Passend zum bisher heißesten Tag des Jahres hatte sich bei der Wirtschaftsinitiative ein Gast angesagt, der sich mit Wärme und Kühlung gleichermaßen auskennt: Bei den 115. Wirtschaftsgesprächen am Main diskutierte Thomas Heim mit rund 90 Mitgliedern und interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern über das Schlüsselthema seiner Branche – die Wärmewende im Gebäude. Der CEO von Viessmann Climate Solutions aus dem nordhessischen Allendorf zeigte hier Potenziale, Chancen und Herausforderungen auf. Und natürlich ging es dabei auch um den Aufreger Heizungsgesetz und seine Folgen. Ein weiteres Kapitel der Marke „wichtige Infos, große Expertise, exklusive Einblicke“.
Es ist kein Geheimnis: Gebäude sind mit über 30 Prozent für einen veritablen Teil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Damit ist klar: Unternehmen, die sich mit dem Heizen und Kühlen beschäftigen, stehen im Fokus eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. „Es ist uns Menschen leider nicht gelungen, unsere Gebäude zu heizen, ohne unseren Planeten zu kochen“, startete Thomas Heim eindrücklich in seine Keynote im Hotel Steigenberger Icon Frankfurter Hof. Seit einem Jahr jagt ein weltweiter monatlicher Temperaturrekord den nächsten. Mit dieser unheilvollen Serie ist das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens, die 1,5-Grad-Schwelle nicht zu erreichen oder zu überschreiten, quasi gerissen. Deutschlands Weg zur Klimaneutralität und alles, was für den Weg dahin beschlossen ist, sei genau richtig, so Heim. Perspektivisch sollen nur noch Wärmeerzeuger eingebaut werden, die mindestens zu 65 Prozent auf erneuerbaren Energien basieren.
Das Glas ist halb voll
Doch was gut gedacht ist, ist nicht immer gut gemacht, hatte Michale Müller, der Vorstandsvorsitzende der Wirtschaftsinitiative, bereits in seiner Begrüßung eine alte Weisheit kolportiert. „Die Diskussion um das Heizungsgesetz im vergangenen Jahr hat für viel Verunsicherung gesorgt. Und verunsicherte Menschen halten sich mit Investitionen zurück“, begründete Heim den schmerzhaften Rückgang der Nachfrage nach neuen Heizungen um 39 Prozent, der 2024 in der gesamten Branche durchgeschlagen ist und allerorten sogar für Kurzarbeit sorgt. Gerade bei Wärmepumpen setzten die Hersteller im Vergleichszeitraum 52 Prozent weniger ab, während Ölheizungen paradoxerweise ein Plus von 27 Prozent verzeichneten. Die Senkung der Energienachfrage funktioniere nicht. Deshalb seien saubere Heizungslösungen nach wie vor der zentrale Hebel, betonte Heim. „Ich sehe das Glas immer halb voll. Es gibt bei 21 Millionen installierten Wärmeerzeugern in Deutschland enormes Potenzial. Über die Hälfte ist technisch veraltet, bislang sind nur zehn Prozent davon Wärmepumpen oder Pellet-Kessel. Die Wärmewende ist eine große Chance – für die Menschen, für die Wirtschaft, für die Gesellschaft, für den Planeten. Davon bin ich überzeugt.“
Konkrete Treiber für die Wärmewende hat Heim ebenso identifiziert: Da sei zum einen die Gebäude-Elektrifizierung, die eine Verknüpfung mit der Mobilitätswende möglich mache. Darüber hinaus das Home-Energy-Management, die Steigerung heimischer Wertschöpfung und zu guter Letzt die Transformation der Netzinfrastruktur. „Deutschland ist in Europa in der Pole Position für klimaneutrale und vernetzte Lösungen. Doch wir brauchen mehr Klarheit – und einen engen Schulterschluss mit der Politik, mit allen Akteuren.“ Mit Klarheit meint Heim: Förderungen anpassen und sichern, das Stromnetz ausbauen und den europaweiten Emissionshandel ordnen.
Never waste a good crisis
Bevor es in die von F.A.Z.-Herausgeber Carsten Knop moderierte Fragerunde ging, schloss der Keynote-Speaker mit einem denkwürdigen Zitat von Winston Churchill: „Lass niemals eine Krise ungenutzt verstreichen.“
Was wollte das Publikum von Thomas Heim denn nun genauer wissen? Unter anderem, wie er zur Politik von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck steht. „Ich habe höchsten Respekt vor der Politik und möchte hier angesichts der schwierigen Aufgaben beileibe nicht tauschen. Es geht aus meiner Sicht darum, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Und ja, hier würde ich mir oft mehr Pragmatismus wünschen. Wir brauchen in jedem Fall mehr Mut und Konsequenz.“ Darüber hinaus beschäftigten das Thema Kurzarbeit und der in diesem Zuge drohende Weggang von Fachkräften die Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter. „Wir haben es lange vermeiden können, doch wir werden jetzt temporär auch Kurzarbeit einführen. Unser Schlüssel lautet hier: viel Kommunikation. Jeden Monat gibt es eine Townhall für die Beschäftigten und einen Austausch mit den Top 150 Führungskräften. Am wichtigsten ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Glauben haben, dass wir es gemeinsam schaffen können.“
Der studierte Diplom-Kaufmann Thomas Heim, der seine Karriere 1994 bei Robert Bosch begonnen hatte, ist seit 2022 CEO von Viessmann Climate Solutions. Zum Jahresbeginn 2024 hat das renommierte US-amerikanische Unternehmen Carrier die größte Business-Einheit der Viessmann Gruppe mit rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommen. Heim leitet hier nun den neuen Bereich RLC HVAC (Residential and Light Commercial Heating, Ventilation, Air Conditioning) in Europa, dem Nahen Osten und Afrika.
„Wirtschaftsgespräche am Main“ ist ein exklusives Veranstaltungs- und Kooperationsformat, das die Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain gemeinsam mit der F.A.Z. und dem Hotel Steigenberger Icon Frankfurter Hof ausrichtet. In der Regel finden zwei bis vier Ausgaben pro Jahr statt.
Fotos: Holger Peters