„Die Infrastrukturinvestitionen von heute sind die Einnahmen von morgen“
„Hier läuft alles zusammen“, fasste es Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, bei den 116. Wirtschaftsgesprächen am Main kurz und bündig zusammen. Denn Fakt ist: An keinem Ort in Deutschland treffen Verkehre so komprimiert aufeinander wie in FrankfurtRheinMain – in der Luft, im Wasser, auf der Straße, auf der Schiene und sogar auf dem Daten-Highway. Umso wichtiger sind Infrastruktur und Mobilität für die Zukunft der Metropolregion, was die große Resonanz auf die Veranstaltung bestätigte. Der Besuch aus Berlin bot einen Schnelldurchlauf durch alle zentralen Themen und nahm auch die heißen Eisen in die Hand. Und natürlich ging es, wie sollte es anders sein, auch um die Ampel-Koalition.
„Ich habe diese Region sehr gut im Blick“, versicherte der Minister direkt zu Beginn im Steigenberger Icon Frankfurter Hof vor rund 120 Gästen – darunter das Who’s who der Unternehmen, die in der Region maßgeblich für Mobilität sorgen. Schließlich habe der promovierte Jurist, der vor seiner politischen Laufbahn als Richter und Staatsanwalt tätig war, lange in Mainz gelebt. Bis heute schätze er den Frankfurter Airport als seinen Heimatflughafen, von seinem Zuhause in der Südpfalz sei er in eineinviertel Stunden erreichbar. Die hier geschaffenen Infrastrukturen hätten einen enormen Wert – für die Region und weit darüber hinaus.
Mammutprojekt Riedbahn
Die ersten tieferen Einblicke gab es zum aktuellsten Großprojekt der Region. Die Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim, die Riedbahn, ist die am meisten befahrene in Deutschland, jeder fünfte Zug fährt über diese Trasse, es gab in der Vergangenheit viele Betriebsstörungen durch veraltete Anlagen. Vor zwei Wochen habe er die Riedbahn-Baustelle besucht, so Wissing. „Es ist eine echte Herkules-Aufgabe, aber die Deutsche Bahn und die beteiligten Unternehmen können hier zeigen, was sie können. Und auch die Politik kann dem an sie gerichteten Anspruch gerecht werden.“ Die Hochleistungskorridor-Sanierung läuft seit Mitte Juli und geht noch bis in den Dezember. „Die Bauleistung dieser fünf Monate wird sonst in sechs bis acht Jahren erbracht. Doch wenn alle zusammenarbeiten, ist es tatsächlich möglich. Wir sind voll im Plan.“ Ein Zeichen der Stärke, das offensichtlich auch dem Chef der Schweizerischen Bundesbahnen ein „Chapeau“ entlockte, wie Wissing berichtete.
Nach dem Pilotprojekt an der Riedbahn sollen weitere 41 Korridore bundesweit erneuert werden, dafür sind im Haushalt bis 2027 rund 27 Milliarden Euro gesichert. Tausende marode Eisenbahn- wie Autobahnbrücken warten ebenfalls auf eine Instandsetzung, die je Brücke bislang sieben bis acht Jahre in Anspruch nahm. Ein eigens aufgelegtes Brückensanierungsprogramm, das Planung und Ausführung in eine Hand gibt, soll dies deutlich beschleunigen. „Wir werden einen Weg finden, das schneller zu machen. Die Planung am Digitalen Zwilling bietet hier entsprechende technische Möglichkeiten“, ist sich der Minister sicher.
Zudem gehe es darum, nicht nur zu sanieren, sondern auch Neues zu entwickeln. „Das ist wichtig für unser Wachstumspotenzial.“ Um es auszuschöpfen, müssten Verkehrsträger konsequent zusammengedacht werden. Stichwort: Multimodalität. Gerade im ländlichen Raum müsse die Kombination zwischen Auto und öffentlichem Nahverkehr noch mehr ins Bewusstsein rücken. Künstliche Intelligenz könne hier unterstützen.
Zunahme des Güterverkehrs wird zur Herausforderung
Nächstes Thema: Stau. Gerade für FrankfurtRheinMain sehr relevant. „Sie kennen die heftigen Debatten, ob noch in Autobahnausbau investiert werden soll.“ Zur weiteren Betrachtung zog Wissing hier die aktuelle Verkehrsprognose heran. So schätzen die Experten aus seinem Haus, dass der Güterverkehr bis 2051 auf der Straße einen Zuwachs von 54 Prozent verzeichnen wird, auf der Schiene plus 33 Prozent. Der Personenverkehr auf der Straße soll dagegen bis 2051 nur um vier Prozent zunehmen. „Die Verkehrsprognosen waren in der Vergangenheit meist richtig, wurden selten untertroffen. Wichtig ist es daher, in der Infrastruktur vorausschauend zu handeln.“ Um den Güterverkehr, der demnach weiterhin massiv auf der Straße stattfinden wird, zu bewältigen, wird auch der entlastende Ausbau der A5 von vier auf fünf Spuren je Richtung am Frankfurter Kreuz diskutiert. Eine technische Machbarkeitsstudie liegt vor, ein Gesamtkonzept soll folgen. „Ohne Verkehrsinfrastruktur kann kein Unternehmen die benötigten Fachkräfte gewinnen. Die Infrastrukturinvestitionen von heute sind die Einnahmen von morgen“, machte der Minister seine Haltung deutlich.
Mehrere Standbeine beim Antrieb
Was er zu Elektromobilität und weiteren Antriebtechnologien denkt? Auch dazu gab der Bundesminister Auskunft. „Wir müssen flexibel bleiben und uns andere Antriebe offenhalten, etwa Wasserstoff. Ich rate uns zudem sehr, auch E-Fuels zuzulassen. Gerade auch mit Blick auf die Luftfahrt und SAFs (Sustainable Aviation Fuels) sowie die Seeschifffahrt. Das ist kein Plädoyer gegen E-Mobilität, sondern für zusätzliche Optionen.“ Für den Flugverkehr geht die Verkehrsprognose übrigens von einer Zunahme von 70 Prozent bis 2051 aus.
Den Schlusspunkt setzte der Minister in seiner Keynote mit der Digitalisierung, die einen nicht unerheblichen Teil seines Doppel-Ressorts ausmacht. Sie sei eine der größten Chancen für unsere Gesellschaft. Bei Startups aus dem KI-Bereich gebe es aktuell einen Zuwachs von 70 Prozent. Elektronische Patientenakte, E-Rezept, digitale Kfz-Zulassung: Das alles sei umgesetzt oder auf einem guten Weg. „Daten und die digitale Patientenakte werden für diese Region und ihre erfolgreichen Pharmaunternehmen noch von großer Bedeutung sein“, prophezeite er.
Wie gewohnt, waren dann die Gäste an der Reihe und konnte ihre Fragen stellen – moderiert von Daniel Schleidt, Leiter Wirtschaft in Rhein-Main bei der F.A.Z. Gefragt zur Zukunft der Ampel-Koalition, machte Wissing klar, dass das kürzlich gezeichnete Bild der „Übergangsregierung“ ihm nicht gefalle. „Was die Inhalte betrifft, sind wir das definitiv nicht.“ Aufgrund der politisch heterogenen Situation und vieler gegensätzlicher Positionen habe er in dieser Koalition immer die Chance gesehen, die „Clearing-Stelle“ der Gesellschaft zu sein. Außerdem plädierte er dafür, nicht nur schwarzzumalen, sondern auch auf die Dinge zu schauen, die in unserm Land gut liefen. Als Beitrag zum Renommee des Wirtschaftsstandortes Deutschland.
Fotos: Kirsten Bucher