Events 27.01.2022

Konjunktur- und Kapitalmarktausblick mit Mitglied M.M.Warburg & CO: Ist die Lage besser als die Stimmung?

„2023 wird das Jahr des gebremsten Optimismus"

2022 war in vielerlei Hinsicht ein Jahr zum Vergessen. Die meisten Krisen und Herausforderungen bleiben uns auch 2023 erhalten und doch werden die Karten neu gemischt. Welche Indikatoren sehen die Experten für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, Europa und der Welt? Carsten Klude, Chefvolkswirt und Leiter Asset Management bei Wirtschaftsinitiative-Mitglied M.M.Warburg & CO, redete bei einer gemeinsamen Digitalveranstaltung Tacheles – und hatte einen erleichternden Silberstreif am Horizont zu bieten.

„2022 steckt uns noch in den Knochen. Doch wie geht es weiter? 2023 wird das Jahr des gebremsten Optimismus", so Carsten Klude auf die Frage der Wirtschaftsinitiative-Mitglieder, wie er seinen Ausblick zusammenfassen würde. Natürlich konnte er diese Prognose durch viele fundierte Daten und Analysen bestens unterfüttern.

Eingeführt wurde der Chefvolkswirt, der bereits seit über 25 Jahren bei M.M.Warburg & CO tätig ist, von seinem Kollegen Klaus Sojer, Bereichsleiter Private Banking, und seiner Kollegin Regina Bendner, Private Banking Frankfurt. Regina Bendner, die sich seit 2015 in der Wirtschaftsinitiative und für die Region FrankfurtRheinMain engagiert, setzte zu Beginn direkt den optimistischen Ton, indem sie John D. Rockefeller zitierte: „Wohin ich auch blicke, überall erwachsen aus Problemen Chancen." Für die Wirtschaftsinitiative begrüßte der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende Ulrich Caspar, der auch Präsident der IHK Frankfurt ist, die digitalen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Carsten Klude. Seine Einschätzung auf Basis vorliegender regionaler Zahlen: „Die Lage ist erheblich besser als die Stimmung."

Kommt die Rezession – ja oder nein?

Los ging es in Carsten Kludes Vortrag natürlich mit der allgemeinen wirtschaftlichen Situation. Der Krieg in der Ukraine habe das Vertrauen maßgeblich erschüttert. „Frühindikatoren signalisierten eine milde Rezession für 2023. Doch der Blick auf die Industrieproduktion, die stellvertretend für Wachstum stehen kann, zeigt: Die realwirtschaftlichen Zahlen sind deutlich besser als die volkswirtschaftlichen Prognosen", so Klude, der damit Ulrich Caspar beipflichtete. Aber: Die hohe Inflation und die verzögerten Auswirkungen einer restriktiven Geldpolitik forderten ihren Tribut. Für das erste und zweite Quartal rechnet er mit einem negativen Wachstum – definitorisch dann als Rezession zu bezeichnen. Im zweiten Halbjahr weist für ihn der Trend nach oben. „Wir gehen davon aus, dass Deutschland mit einem Wachstum knapp über der Nulllinie herauskommen wird – sprich 0,2 Prozent. Die Stimmung scheint den Tiefpunkt bereits durchschritten zu haben." Seine Kolleginnen und Kollegen in anderen Häusern sehen das zum Teil etwas anders. Die Spannbreite der Prognosen liegt zwischen plus 0,5 und minus 1,9 Prozent.

Der aktuelle Rückgang der Energiepreise und der vergleichsweise milde Winter hätten dafür gesorgt, dass die Gasspeicher derzeit zu über 90 Prozent gefüllt seien. Das mache das Horrorszenario einer Energiemangellage unwahrscheinlicher, auch für den Winter 2023 / 2024. „Die Industrie hat 2022 viel Gegenwind bekommen, der Auftragseingang liegt zehn Prozent unter dem des Vorjahres." Viele Unternehmen zehrten allerdings noch von einem hohen Polster an Auftragsbeständen – das verhindere Schlimmeres und reiche wohl über die zwei schwachen Quartale hinweg. Ein weiterer Grund für Optimismus sei das Ausbleiben negativer Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. „Selbst wenn es aktuell schwierig und unsicher ist, halten die Unternehmen an ihrer Belegschaft fest. Denn es ist schwer, das Personal zurückzuholen, wenn es wieder anzieht", führte Klude aus.

Was passiert mit der Inflation?

Nächstes Thema, ebenso schwieriges Thema: Insbesondere die stark gestiegenen Energiepreise hatten die Inflation auf zwischenzeitlich rund zehn Prozent getrieben. Die derzeit sinkenden Energiepreise sorgen jedoch nun wieder für einen Rückgang der Inflation. „In der Eurozone dürfte sie ihren Höhepunkt erreicht haben. Die Notenbanken bleiben skeptisch, wollen das Inflationsthema nicht unterschätzen. Im Jahresschnitt könnten wir bei fünf bis sechs Prozent landen."

Wie wird sich der Kapitalmarkt entwickeln?

„2022 war für Anleihen ein Desaster." Sie seien teilweise um 25 Prozent eingebrochen. „Das war einzigartig auf der Anleiheseite, da kann man in der Tat von einem Crash sprechen. Doch es gibt auch schon wieder positive Renditen", sagte Carsten Klude. Der Aktienmarkt habe im Durchschnitt nicht so katastrophal performt wie in früheren Rezessionsszenarien. Die Q4-Berichtssaison könne angesichts niedriger Erwartungen positiv überraschen und dem Aktienmarkt Rückenwind geben. Die Skepsis am Aktienmarkt sei womöglich auch höher als sie sein müsste.

Im internationalen Vergleich sieht Klude den europäischen Aktienmarkt derzeit positiver als den US-amerikanischen. In Europa seien mehr Value-Aktien im Markt, in den USA mehr Growth-Aktien. Die Stunde der Growth-Aktien könne aber im Laufe des Jahres wieder schlagen. „Generell kühlen die wirtschaftlichen Frühindikatoren in den USA derzeit ab, während der Arbeitsmarkt immer noch robust ist. Eine milde Rezession ist auch hier denkbar." China werde nach dem Ende von Zero Covid und überstandener Infektionswelle konjunkturell ebenso wieder zurückkommen, ist er zuversichtlich. „Wahrscheinlich stärker als vorhergesagt. Das ist auch gut für Deutschland."

Zum Schluss ließ sich der Chefvolkswirt, der mit seinem Team zuletzt Vizemeister bei den Zinsprognosen wurde und im vorangegangenen Jahr hier die Nummer eins war, einen DAX-Ausblick entlocken. „15.600 lautete unsere Prognose im November. Ich drücke uns die Daumen, dass wir am Jahresende über die 16.000-Marke hinüberschauen können."

Der exklusive Konjunktur- und Kapitalmarktausblick für das Wirtschaftsinitiative-Netzwerk fand zum dritten Mal statt und wird traditionell von einem Mitgliedsunternehmen bestritten. Vor M.M.Warburg & CO hatten die Chefvolkswirte von Hauck Aufhäuser Lampe sowie Berenberg diesen Part übernommen.

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