Mitglieder 26.06.2020

Neumitglied Bankhaus Metzler: Welcome-Interview mit Kim Comperl

„Ich würde die Metropolregion sogar bis in den Rhein-Neckar-Raum ausdehnen“

Das Bankhaus Metzler, gegründet 1674, gehört zur wirtschaftlichen DNA Frankfurts wie wenige andere Unternehmen – und engagiert sich jetzt auch in der Wirtschaftsinitiative. Kim Comperl, Mitglied des Partnerkreises bei Metzler, verrät das Erfolgsgeheimnis von Deutschlands ältester Privatbank im ununterbrochenen Familienbesitz und beschreibt, wie das Unternehmen seit jeher Tradition und Innovation verbindet, gut durch Krisen steuert und die Vorteile der Region FrankfurtRheinMain zu schätzen weiß. Welcome!

Herr Comperl, vorweg gefragt: Wie beeinflusst die Corona-Krise derzeit Ihr Geschäft?

Wir spüren die Auswirkungen jeden Tag, allerdings durchaus unterschiedlich. Beispielsweise profitieren wir im Capital Markets, also im Handel mit Aktien, Anleihen und Devisen, von gestiegenen Umsätzen. Der jüngste Anstieg der Börsenkurse hilft auch im Asset Management, also beim Verwalten großer Vermögen von Institutionen wie Versorgungskassen, von Unternehmen und großen Stiftungen, oder im Private Banking, beim Verwalten großer privater Vermögen. Die globalen Auswirkungen des Coronavirus sind in ihrer Intensität und Dauer nicht seriös abschätzbar – selbstverständlich wird dies auch uns noch länger beeinflussen. Wir sehen uns jedoch gut gerüstet durch eine hohe Eigenkapitalquote und sind handlungsfähig durch eine sehr komfortable Liquiditätssituation.

Das Bankhaus Metzler gibt es seit bald 350 Jahren. Was ist das unternehmerische Erfolgsgeheimnis?

Als älteste deutsche Privatbank im ununterbrochenen Familienbesitz ist unser Denken und Handeln unverändert geprägt von der strategischen Weitsicht unserer Vorgänger. Dazu gehören auch langfristiges Denken und Planen und der vorsichtige Umgang mit allen Ressourcen. Insofern ist Nachhaltigkeit schon seit Generationen integraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie und -philosophie. Dank unserer Erfahrung mit großen Krisen aller Art haben wir stets an dieser vorsichtigen Geschäftsphilosophie festgehalten und sind mit unseren vier Kerngeschäftsfeldern Asset Management, Capital Markets, Corporate Finance und Private Banking auch im jetzigen Umfeld gut aufgestellt.

Metzler zeichnet heute aus, dass wir unser Geschäftsmodell stetig weiterentwickeln und damit zukunftsfest machen. Unsere Erfolgsmaxime heißt seit jeher: Bewahren durch Veränderung. Das bedeutet einerseits, früh neue Marktchancen zu erkennen und sie für unsere Kunden zu nutzen. Und andererseits, zum Beispiel auf das Mengengeschäft mit Spareinlagen und Krediten zu verzichten.

Was wollen und brauchen Ihre Kunden aktuell? Welche Trends sehen Sie in Ihren Geschäftsfeldern?

Wie komme ich gut durch die Corona-Krise? Das betrifft alle Unternehmer momentan gleichermaßen. Kurzfristig am wichtigsten ist die Liquiditätssicherung, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Aber es gibt auch andere langfristige strategische Überlegungen beim deutschen Mittelstand, beispielsweise bei der Nachfolgeregelung in Familienunternehmen. Wenn sich kein geeigneter Nachfolger aus der eigenen Familie finden lässt, steht in der Regel ein Unternehmensverkauf an. Dieser Prozess ist vielschichtig und dauert seine Zeit. Deshalb sollte man frühzeitig anfangen, darüber nachzudenken und spezialisierte Berater ins Boot zu holen. Wir als unabhängige Transaktionsberater glauben, dass ein solcher Verkauf nicht unbedingt mit dem zurzeit gefürchteten Corona-Bewertungsabschlag einhergehen muss – Technologie- oder Healthcare-Unternehmen profitieren in großen Teilen sogar von der gegenwärtigen Lage. Gleichzeitig sehen wir: Finanzinvestoren wie Family-Offices oder Private Equity-Gesellschaften sitzen momentan auf sehr viel Geld, das sie investieren möchten. Aber auch strategische Investoren aus dem In- und Ausland zeigen wieder erstes Interesse an Unternehmensübernahmen, und wir führen hier einige vielversprechende Gespräche. Insofern glauben wir, dass in den deutschen M&A-Markt wieder einige Bewegung kommen wird.

Wie entstehen (digitale) Business-Innovationen bei Metzler?

Die Finanzbranche steckt mitten im unaufhaltsam voranschreitenden technischen Wandel – Corona wirkt hier zusätzlich als Turbo. Grundsätzlich stellt die Digitalisierung bestehende Geschäftsmodelle auf den Prüfstand und verschärft den Wettbewerb im Finanzsektor weiter. Daher sind wir kontinuier­lich dabei, unser Geschäftsmodell konsequent an die neuen Marktanforderun­gen anzupassen und, wo sinnvoll, zu digitalisieren. Um auf diesem Weg schnell voranzukommen, haben wir eigens eine interne DigitalManufaktur etabliert, in der über alle Geschäftsbereichsgrenzen hinweg die entsprechenden Ideen und Initiativen gebündelt, evaluiert und umgesetzt werden.

Welche Rolle spielt der Standort und Finanzplatz FrankfurtRheinMain für Metzler?

Schon bei der Gründung von Metzler im Jahr 1674 durch den aus Sachsen zugewanderten Benjamin Metzler war die geografische Lage Frankfurts größter Pluspunkt. Heute ist Frankfurt ein Logistikknoten – mit dem größten Internetknoten der Welt, der die digitalen globalen Finanztransaktionen erst ermöglicht.

Entscheidend für die Schlagkraft der Region war zu allen Zeiten auch die Offenheit der Frankfurter, Neuankömmlinge zu integrieren. So konnten diese Zuwanderer wichtige Impulse setzen: 1585 waren an der Gründung der Frankfurter Börse 13 Kaufleute beteiligt – davon nur ein einheimischer. Die anderen waren ausländische protestantische Kaufleute, die vor religiös und politisch motivierter Verfolgung flüchten mussten und in Frankfurt heimisch wurden. Sie brachten ihre Netzwerke und ihre Kenntnisse mit. Das sorgte für Entwicklungsschübe. Und auch heute sind die große Internationalität und die ausgezeichnete Erreichbarkeit wichtige Assets von Frankfurt.

Was läuft in der Region gut, was fehlt, wo gibt es Nachholbedarf?

Der Name der Wirtschaftsinitiative weist in die richtige Richtung: FrankfurtRheinMain. Aus meiner Sicht sind Verbindungslinien zu anderen Regionen sowie gemeinsame Projekte und Kooperationen ausschlaggebend für die weitere Entwicklung von FrankfurtRheinMain – in unserer heutigen hochvernetzten Welt mehr denn je. Ich würde die Metropolregion sogar bis in den Rhein-Neckar-Raum ausdehnen. Dieser Metropolraum ist hervorragend aufgestellt mit hochrangigen Universitäten und Forschungseinrichtungen und mit sehr vielfältigen Industrieunternehmen und zahlreichen Dienstleistern. Eine große Herausforderung liegt sicherlich in der Logistik – also darin, die Verkehrs­ströme so zu steuern, dass weder Natur noch Lebensqualität der Menschen darunter leiden.

Das Bankhaus Metzler ist vielfältig gesellschaftlich engagiert, insbesondere über die Metzler-Stiftung. Warum ist es für Unternehmen wichtig, gerade auch im regionalen Kontext Verantwortung zu übernehmen?

Als Unternehmen profitiert Metzler von seinem Umfeld: von gut ausgebildeten Mitarbeitern, einer ausgezeichneten Logistik, einer vielfältigen Kulturszene, zahlreichen gemeinnützigen Einrichtungen, einer reizvollen Umgebung und vielem mehr. Deshalb müssen wir als Unternehmen dafür sorgen, dass dieses Umfeld sich weiterhin gut entwickeln und gedeihen kann, um andere interes­sante Unternehmen, Institutionen und Menschen anzuziehen. Unsere Förderung ist deshalb nicht gänzlich altruistisch. Außerdem hoffen wir, dass unser Vorbild weitere Unternehmen oder Privatpersonen motiviert, sich ebenfalls für Frankfurt und die Region zu engagieren. Anstiften zum Stiften nennen wir das.

Was erwarten Sie als neues Mitglied von einem regionalen Unternehmernetzwerk wie der Wirtschaftsinitiative?

Sobald Corona es wieder zulässt, freuen wir uns auf persönliche Begegnungen und Treffen. Wir haben festgestellt: Mit Telefon- und Videokonferenzen können wir sehr effektiv planen und uns gut organisieren – aber um sich richtig kennen­zulernen und Vertrauen aufzubauen, braucht es gerade am Anfang einen persön­lichen Kontakt. Der ist durch nichts zu ersetzen.

Zugegeben, Ausblicke sind momentan schwierig. Wagen Sie es dennoch? Wo wird die Metropolregion in 20 Jahren stehen – und wo das Bankhaus Metzler?

Der Industrie- und Branchenmix in FrankfurtRheinMain ist noch vielfältiger und nachhaltiger geworden und somit widerstandsfähiger gegen Krisen. Die Menschen haben entdeckt, dass sie mit einem langfristigen Aktieninvestment gut für ihr Alter vorsorgen können, das Bankhaus Metzler ist weiterhin in Familienbesitz und unabhängig, wirbt weiterhin für die Aktienkultur, ist in kapitalmarktnahen Geschäften tätig und bietet seinen Kunden einzigartige Dienstleistungen, um Vermögen langfristig zu erhalten und zu vermehren.

Vielen Dank.

Zur Person

Kim Comperl ist seit 2018 für Metzler tätig. Als Mitglied des Partnerkreises B. Metzler seel. Sohn & Holding AG verantwortet er das Kerngeschäftsfeld Corporate Finance. Er verfügt über 28 Jahre Berufserfahrung, davon 25 Jahre im Investmentbanking und war in leitenden Positionen bei HSBC und Dresdner Kleinwort langjährig in London und Frankfurt am Main tätig. Comperl studierte Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und schloss sein Studium als Diplom-Kaufmann ab.

Fotos © Bankhaus Metzler

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