„Brexit bringt Bewegung in den europäischen Standortwettbewerb “
Die Briten haben entschieden: Der EU-Austritt kommt... Wann und unter welchen Bedingungen der Brexit letztlich vollzogen wird, hängt nun von den Verhandlungen zwischen Brüssel und London ab. Doch sicher ist: Unsicherheit und Wartestand schaden Wirtschaft und Politik gleichermaßen. Zahlreiche Unternehmen und Institutionen werden den Standort London überdenken undabsehbar Umzugsentscheidungen treffen. Eine große Chance für FrankfurtRheinMain, die weit über den Finanzplatz hinausgeht.
Welcher Standort in der EU (oder sogar außerhalb) wird von den anstehenden Veränderungen profitieren? Wir müssen jetzt sicherstellen, dass FrankfurtRheinMain dazugehört. Paris, Dublin, Luxemburg, Mailand oder Madrid stehen ebenso in den Startlöchern und rüsten sich, London zu beerben. Ein Durchmarsch wird es für Frankfurt nicht. Auch wenn unser Finanzplatz in Europa klare Nummer zwei hinter London ist: Gerade für Banken kommen, je nach Geschäftssparte, unterschiedliche Zielstandorte in Frage, wie die Helaba-Finanzplatzstudienregelmäßig aufzeigen. Wirtschaftsförderung, Standortmarketing, Kammern, Initiativen und Politiksind nun gefragt, echte Überzeugungsarbeit zu leisten. Die hessische Landesregierung berief bereits das Finanzplatzkabinett unter Einbeziehung des Bundesbankpräsidenten ein, eine erste Delegation reiste nach Brüssel, Roadshows und Vor-Ort-Ansprechpartner in London sind geplant.
Konkret richtet sich das allseitige Werben der Alternativstandorte derzeit auf zwei EU-Institutionen: die Europäische Bankenaufsicht (EBA) und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Beide passen hervorragend zu FrankfurtRheinMain, denn die Region hat sich bereits auf den Weg zur EU-Aufsichtsmetropole gemacht. Neben der Europäischen Zentralbank (EZB) haben auch die Europäische Versicherungsaufsicht (EIOPA) und der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) ihren Sitz am Main. Insbesondere die Nähe zur EZB ließe für die Bankenaufsicht Synergien erwarten. Aber auch für die Ansiedlung der Arzneimittel-Agentur sprechen gleich mehrere Gründe. FrankfurtRheinMainist einer der führenden Pharmastandorte Deutschlands und Europas, bietet ein ausgeprägtes Expertenumfeld samt „House of Pharma & Healthcare" und kann mit dem Paul-Ehrlich-Institut in Langen eine bundesdeutsche Arzneimittelbehörde aufweisen, deren Kompetenz die EMA schon heute nutzt.
Schlagende Argumente sind natürlich auch die exzellente Verkehrsinfrastruktur mit kurzen – und kalkulierbaren – Wegen, vergleichsweise niedrige Büromieten und Lebenshaltungskosten sowie attraktive Naherholungsangebote. Allein: Diese Pluspunkte sind international offenbar kaum bekannt. Einen entsprechenden Weckruf übermittelte hier jüngst die Boston Consulting Group, die zwei Wochen vor dem Brexit-Referendum rund 360 Banker, vorwiegend in London, zu ihrer Sicht auf Alternativstandorte befragt hatte. Bezeichnenderweise schloss Frankfurt im gestützten Teil der Befragung anhand objektiver Kriterien auf Platz eins ab, landete aber im spontan abgefragten Wunsch-Ranking nur auf Platz drei. Das muss uns zu denken geben – hier muss sich etwas ändern. Die Akteure der Metropolregion tun gut daran, jetzt schnell, aber vor allem konzertiert und mit Weitblick zu handeln.