„Wir werden für Frankfurt nur dann erfolgreich sein, wenn wir in Europa führend sind“
Die Deutsche Börse ist nicht nur eine Börse. Sie ist Technologieführer, Marktinfrastruktur-Bereitsteller, Symbol für den Finanzplatz Frankfurt – und ein „wirklich europäisches Unternehmen“. Das machte Dr. Stephan Leithner direkt zu Beginn der 120. Wirtschaftsgespräche am Main im Steigenberger Icon Frankfurter Hof sehr deutlich. Im Dialog mit F.A.Z.-Redakteur Daniel Schleidt sowie rund 100 Wirtschaftsinitiative-Mitgliedern und Gästen beantwortete der CEO der Deutsche Börse Group die Leitfrage: Was müssen wir zur Stärkung des Kapitalmarktes tun?
Ohne Zweifel: Die Börse gehört zur DNA von Frankfurt. Als vor 440 Jahren Messekaufleute erstmals einheitliche Wechselkurse festlegten, war dies ihre offizielle Geburtsstunde. Doch zuvor hatte Martin Luther die wohlhabende Stadt am Main bereits in der ihm eigenen bildhaften Sprache als „Silber- und Goldloch“ des Deutschen Reiches bezeichnet, wie Michael Müller, der Vorstandsvorsitzende der Wirtschaftsinitiative, in seinem Intro und zur Begrüßung des Gastredners „ausgegraben“ hatte. Ein historischer Aspekt, der sogar Dr. Leithner nicht geläufig war. „Das werde ich mir merken“, gab er zurück. Schließlich habe sich an der zentralen Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurts seither nichts geändert, an der Rolle der Börse aber schon.
Drei Eckpfeiler
Sehr wichtig war es ihm daher, zunächst die Technologieverankerung hervorzuheben. „Sie ist der Nukleus der Deutschen Börse, die sich Anfang der 1990er aus der IHK herausgelöst hat.“ So bleibe der elektronische Börsenhandel XETRA bis heute weltweit maßgeblich und mit Blick auf ETFs sei die Deutsche Börse europaweit führend. Auch in der Cloud-Technologie oder bei neuen Themen wie Krypto-Verwahrung und Distributed Ledger setzt sie laut Dr. Leithner Maßstäbe.
Darüber hinaus sei die Deutsche Börse auch als Marktinfrastruktur-Bereitsteller positioniert. „Es war die überlegene strategische Entscheidung, einen integrierten Infrastrukturanbieter aufzubauen, der die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt – über alle Anlageklassen hinweg.“
Ein drittes entscheidendes Charakteristikum sei die europäische Ausrichtung. „Kopf und Herz der Deutschen Börse sind in Frankfurt – ganz klar. Doch wir werden für Frankfurt und Deutschland nur dann erfolgreich sein, wenn wir in Europa führend sind. In den letzten sieben bis neun Jahren haben wir intensiv und erfolgreich daran gearbeitet“, betonte der gebürtige Österreicher und ehemalige Deutsche Bank-Manager, der schon seit 1993 in der Region FrankfurtRheinMain lebt. Rund 16.000 Mitarbeitende hat die Deutsche Börse insgesamt, 4.000 davon in Deutschland, aber auch an anderen Standorten wie Luxemburg und Paris oder im irischen Cork ist sie stark vertreten. „Aus Frankfurt heraus sind wir ein wirklich europäisches Unternehmen. Dieses Bild müssen wir fest verankern.“ Nur so könne es gelingen, Europa im Finanzsektor wettbewerbsfähig zu halten, schloss Dr. Leithner seinen kurzen Einstiegsimpuls. Eine gute Überleitung.
Der lange Weg zur Kapitalmarktunion
Was muss passieren und was passiert gerade im Thema europäischer Kapitalmarkt? Darum drehte sich die Diskussion mit Daniel Schleidt und dem Publikum. „Wir reden schon seit zehn Jahren über eine Kapitalmarktunion. Brauchen wir in Europa zu lange, um solche Entscheidungen zu treffen?“, fragte der F.A.Z.-Ressortleiter Wirtschaft in Rhein-Main. „Woanders geht es radikal schneller“, antwortete Dr. Leithner. „Wir benötigen die richtige Kapitalmarktinfrastruktur für Europa. Und wir müssen vor allem auch an das Thema Altersvorsorge ran“, führte er weiter aus. Schweden sei hier ein europäisches Vorzeigebeispiel. Darüber hinaus sollten Unternehmen die betriebliche Altersvorsorge weiterentwickeln, so sein Appell an die Manager im Raum.
In der Bundespolitik und speziell beim Bundeskanzler sieht er das Verständnis für die Bedeutung der Thematik gegeben. Schließlich sei Friedrich Merz zehn Jahre im Aufsichtsrat der Deutschen Börse gewesen, so Dr. Leithner, der selbst seit 2018 im Vorstand der Deutschen Börse tätig ist und seit Anfang 2025 das Unternehmen als alleiniger CEO führt.
Natürlich könne auch in Frankfurt und der Region einiges für den Kapitalmarkt getan werden. Etwa durch die Verbesserung der Standortbedingungen. Hier setzt Dr. Leithner auch auf das hessische Finanzplatzkabinett, das immer wieder Dinge in Berlin anmahnen kann. Zudem brauche es noch mehr starke private Spieler in der Region, eine verbesserte Willkommenskultur für internationale Fachkräfte sowie eine Stärkung der universitären Strukturen. In diesem Zusammenhang hob Dr. Leithner lobend die jüngsten Entwicklungen rund um die Startup Factory Futury hervor. „Ich bin für unseren Standort optimistisch, wenn wir das größere Bild in Bewegung bringen.“
Finanzbildung und ihre Bedeutung
Was die Gäste noch interessierte? Zum einen die künftige Rolle der Künstlichen Intelligenz und ihre Chancen und Gefahrenpunkte im hochregulierten Finanzumfeld. Aber auch die Wichtigkeit von Finanzbildung in der Gesellschaft kam auf den Tisch. „50.000 Besucherinnen und Besucher hat unser Gebäude in Frankfurt jährlich. Das zeigt, dass das Börsenparkett als Symbol nach wie vor Anziehungskraft hat. Doch wir müssen versuchen, das Thema noch weiter zu den Menschen zu tragen. Denn für viele ist die Finanzwelt sehr weit weg“, schloss Dr. Leithner den Executive Lunch.
„Wirtschaftsgespräche am Main“ ist ein exklusives Veranstaltungs- und Kooperationsformat, das die Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain gemeinsam mit der F.A.Z. und dem Hotel Steigenberger Icon Frankfurter Hof ausrichtet. In der Regel finden zwei bis vier Ausgaben pro Jahr statt.
Fotos: Kirsten Bucher