„Neugier ist die wertvollste Ressource, um Unsicherheit auszuhalten“
Die Arbeitswelt ist mehr denn je in Bewegung, das wirft bei Unternehmen wie Beschäftigten viele Fragen auf. Wie viel Homeoffice oder Büro darf es sein? Ist die Künstliche Intelligenz (KI) Entlastung, Ergänzung oder Bedrohung? Welche Fähigkeiten brauchen wir in Zeiten der Dauer-Veränderung besonders? Und: Welche Antworten kann ein dynamischer Wirtschaftsstandort wie FrankfurtRheinMain hier geben? Genau das richtige Wetter für die FRANKFURT FUTURE TALKS. Bei der 7. Ausgabe des Partnerformats, das die Wirtschaftsinitiative gemeinsam mit ihren Mitgliedern COPETRI und F.A.Z. ausrichtet, tauchte ein Panel mit viel Expertise dazu tief in die Diskussion ein. Fraport-Personalvorständin Julia Kranenberg, Nestlé-Kommunikationschefin Anita Wälz und Zukunftsinstitut Workshop-Geschäftsführer Andreas Steinle plädierten für eine echte Ergebniskultur, warben für KI als Hoffnungsträger und erklärten die Neugier zum Super-Skill der Transformation. Und am Ende des Abends sahen sie sogar noch die humanoiden Roboter kommen!
„Wir wollten einen Ort etablieren, an dem wir regelmäßig über die Zukunft sprechen können. Und das ist gelungen“, begrüßten COPETRI-Geschäftsführer Ralf Hocke und Wirtschaftsinitiative-Geschäftsführer Jörg Schaub die über 100 Gäste der FRANKFURT FUTURE TALKS. Wobei Ort hier nicht Location meint, denn die wechselt bei jeder Ausgabe ganz bewusst. Diesmal machte die Veranstaltungsreihe bei Elektroautohersteller NIO Station. Das „etwas andere Autohaus“ mitten in der Frankfurter City bietet nämlich neben einem Show-Room für Fahrzeuge passenderweise auch einen luftig-futuristischen Co-Working- und Event-Space.
Fifty-fifty für Homeoffice und Büro
„Wo stehen wir denn nun beim Homeoffice?“, startete Daniel Schleidt, F.A.Z.-Ressortleiter Wirtschaft in Rhein-Main, den Austausch mit dem Panel. „Es sollte in der Homeoffice-Diskussion nicht um ‚Zurück ins Büro‘ gehen, sondern um echte Ergebniskultur statt Präsenzkultur. Wir bemühen uns daher bei Fraport nach Kräften um spezifische Lösungen, die den jeweiligen Bereichen gerecht werden. Zumal an einem Airport viele Beschäftigte ohnehin nicht im Homeoffice arbeiten können“, schilderte Julia Kranenberg die Perspektive des Flughafenbetreibers.
Ähnliches berichtete Anita Wälz, die sich für „aktivitätsbasiertes Arbeiten und die richtige Balance im hybriden Modell“ aussprach. Fifty-fifty wird bei Nahrungsmittelhersteller Nestlé in Büro und Homeoffice gearbeitet, außer natürlich in der Produktion. Vor wenigen Monaten ist das deutsche Headquarter zudem innerhalb von Frankfurt umgezogen – von Niederrad in einen Neubau im Bahnhofsviertel. Eine große Umstellung. „Wir haben jetzt 50 Prozent weniger Fläche. Und es gibt keine Parkplätze mehr – noch nicht mal für die Vorstände.“ Ob das nicht zu Unmut bei den Kolleginnen und Kollegen geführt habe, wollte Moderator Daniel Schleidt wissen. „Wir hatten vier Jahre Zeit, alles gut vorzubereiten und die Mitarbeitenden auf diesem Weg mitzunehmen. Das Bahnhofsviertel ist wild, aber enorm spannend. Und das Parkplatzproblem hat sich zwischenzeitlich aufgelöst. Jeder verfügt über ein Jobticket, die meisten dürften sich gut mit dem neuen Standort arrangiert haben.“
Andreas Steinle widersprach derweil vehement der in jüngster Zeit aufkommenden These, das Homeoffice schade der Wirtschaft. „Da ist nichts dran. Am Ende muss man gute Arbeit leisten – egal wo. Manche beuten sich gerade auch im Homeoffice selbst aus.“ Wesentlicher sei in diesem Zusammenhang ein anderer Stellhebel – ein universelles Bedürfnis. „Alle Menschen wollen Freiheit und Autonomie.“ Das mache sie zufriedener mit ihrer Arbeit, wie eine Studie über Krankenhaus-Reinigungskräfte gezeigt habe, die sich in ihren Teams selbst organisierten und dadurch sogar Zeit für den Austausch mit Patienten fanden.
Von Menschen und Maschinen
Zweites heißes Eisen des Abends: Was wird die KI der Arbeitswelt bringen? Die klare Antwort des Panels: Hoffnung! „Angst hilft uns hier nicht weiter. Im Gegenteil. In dieser Technik steckt so viel Musik. Wir müssen die Leute vor allem gut schulen“, so Anita Wälz. Andreas Steinle wähnte uns zudem „mitten in einer super spannenden Revolution“. Dieses Jahr werde es den Durchbruch der KI-Agenten geben – Algorithmen, die eigenständig Aufgaben erledigen können. „Vielleicht kann ich irgendwann meinen persönlichen KI-Agenten mit einem anderen KI-Agenten vorverhandeln lassen, bevor ich selbst an einem Meeting teilnehme“, warf er den Blick in die Zukunft.
Fraport werde aus demografischen Gründen in den nächsten Jahren 30 Prozent der Beschäftigten in den Ruhestand verabschieden müssen, das lasse sich kaum ausgleichen, konstatierte Julia Kranenberg dazu. Deshalb arbeite das Unternehmen bereits an verschiedenen KI-Anwendungen, so zum Beispiel bei der Flugzeugabfertigung. „Der Mensch wird also nicht durch die Maschine ersetzt, sondern die Maschine ergänzt den Menschen. Da gibt es bei uns ein Riesen-Potenzial.“ Einen Use Case hatte auch Anita Wälz noch auf Lager: Nestlé setzt bereits auf KI statt auf Shootings, um passende Bilder zu Rezepten zu generieren.
Ebenfalls einig waren sich die Diskutanten mit Blick auf die Skills, die es in der sich stetig verändernden Arbeitswelt am meisten braucht. „Neugier ist die wertvollste Ressource, um Unsicherheit auszuhalten. Menschen mit höherer Neugier kommen nachweislich besser mit Transformation klar“, brachte es Andreas Steinle auf den Punkt.
Das neue Auto
In einer Q&A-Runde nutzte das Publikum dann noch die Gelegenheit, viele Fragen zu adressieren. Zum Abschluss ließ es sich Daniel Schleidt aber nicht nehmen, Zukunftsforscher Steinle nach dem nächsten „großen Ding“ zu fragen. Seine Antwort: „Wir stehen kurz vor dem ChatGPT-Moment der humanoiden Robotik. Dieser Markt hat ein großes Potenzial und könnte für die deutsche Wirtschaft das neue Auto werden.“
Das Partnerformat von COPETRI, F.A.Z. und Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain verbindet die Themenbereiche People, Transformation und Innovation – immer mit dem so wichtigen Twist in Richtung Zukunft und Lösungsorientierung. Und das kommt in der regionalen Business-Community an. Themen bei den FRANKFURT FUTURE TALKS waren neben KI und New Work bereits Ambidextrie, Female Leadership oder das Startup-Ökosystem.