Wirtschaftsgespräche am Main 14.09.2023

Wirtschaftsgespräche am Main mit Dr. Dominik von Achten, CEO von Heidelberg Materials

Ein jahrtausendealter Baustoff erfindet sich neu

Schon die alten Römer bauten mit Zement. Bis heute ist er als Bestandteil von Beton einer der meistgenutzten Baustoffe der Welt. Wer könnte dazu besser Auskunft geben als Dr. Dominik von Achten, CEO von Heidelberg Materials, ehemals HeidelbergCement? In seiner Keynote bei den 112. Wirtschaftsgesprächen am Main zeigte er auf, was im Thema Beton und Nachhaltigkeit möglich ist und was der DAX-Konzern in der Zukunft vorhat. Das aktuelle Leuchtturmprojekt: Heidelberg Materials baut im norwegischen Brevik die weltweit erste großtechnische Anlage, mit der ein vollständig dekarbonisierter Zement hergestellt werden kann. Nicht der einzige überraschende Fakt, den Dr. von Achten den über 80 Gästen ins Hotel Steigenberger Icon Frankfurter Hof mitgebracht hatte.

Im nächsten Jahr wird das Unternehmen aus der benachbarten Metropolregion Rhein-Neckar 150. 148 Jahre davon war Zement fester Bestandteil des Unternehmensnamens. Zement mache inzwischen weniger als 50 Prozent des Umsatzes aus. Die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit sei evident. „Eine Marke muss sich wandeln. Und wir wollen nach vorne schauen“, gab der Heidelberg Materials-Chef einen Einblick in den 2022 vollzogenen Namenswechsel.

Zuvor hatte der Vorstandsvorsitzende der Wirtschaftsinitiative, Michael Müller, den Gastredner vorgestellt. „Ein Veranstaltungsformat wie die Wirtschaftsgespräche am Main haben wir in Rhein-Neckar in der Tat nicht“, bekannte Dr. von Achten bei dieser Gelegenheit.

Herausforderung und Chance

Mehr als 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, über 3.000 Standorte in rund 60 Ländern: Als eines der weltweit größten Baustoffunternehmen nimmt Heidelberg Materials führende Marktpositionen bei Zement, bei Zuschlagstoffen wie Sand und Kies und ebenso bei sogenanntem Transportbeton ein. Egal ob es um Wohnhäuser, Krankenhäuser, Flughäfen, Brücken, Straßen oder Gewerbe- und Industrieanlagen geht – die Baustoffe aus Heidelberg sind hier nicht wegzudenken. Beton ist langlebig, stabil und in der Regel regional hergestellt. Das Vorprodukt Klinker wird über Feinmahlung zu Zement. Und gerade das verbraucht viel Energie und ist damit CO2-intensiv. Ein beträchtlicher Teil der CO2-Emissionen bei der Zementherstellung lasse sich technisch bisher nicht vermeiden, so Dr. von Achten. Eine Herausforderung für die gesamte Baustoffbranche – und eine große Chance, machte er klar.

CO2-Speicherung unter der Erde

Vor zwei Jahren verabschiedete der Konzern eine Roadmap zur Erreichung der Klimaneutralität. Ziel ist es, den Materialeinsatz zu reduzieren, mehr alternative Brennstoffe zu nutzen, verstärkt in die Kreislaufwirtschaft zu investieren und signifikant die CO2-Emissionen zu reduzieren. Heidelberg Materials geht dabei auch ganz neue Wege – mit CCUS-Projekten (Carbon Capture, Utilisation and Storage) zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2. Besonders sticht dabei der Bau einer Zementfabrik in Brevik, Norwegen, heraus. Hier entsteht die erste großtechnische Anlage zur Kohlenstoffabscheidung in der Zementindustrie. Sie soll 2024 in Betrieb genommen werden. „Wir sind weltweit die ersten, die einen vollständig dekarbonisierten Zement herstellen. Das setzt hoffentlich eine Lawine von Folgeprojekten in unserer Branche in Gang“, so Dr. von Achten. Das entstehende CO2 wird hier im Meeresboden vor der norwegischen Küste eingelagert. Das Verfahren gelte als sicher und werde in Norwegen bereits seit 25 Jahren eingesetzt, sei in Deutschland aber derzeit noch nicht genehmigt, führte der CEO weiter aus. Die deutsche Politik ist darauf aber schon aufmerksam geworden. Anfang 2023 besuchte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die norwegische Pionieranlage von Heidelberg Materials.

Zahlreiche weitere CCUS-Projekte sind im Portfolio. „Wir wollen nicht nur reden, sondern vor allem machen.“ Mehrere hundert Millionen Euro investiert Heidelberg Materials pro Projekt. Auch im Bereich Kreislaufwirtschaft ist das Unternehmen aktiv. Laut Dr. von Achten lässt sich Beton rückbauen und wieder in seine Einzelteile zerlegen. „So können wir neuen Beton herstellen und ihm ein vollwertiges zweites Leben geben, ohne neue Rohstoffe zu verbrauchen.“

Offener Dialog

In einer abschließenden Runde stellte sich Dr. von Achten den Fragen von Daniel Schleidt, F.A.Z.-Ressortleiter Wirtschaft in Rhein-Main. Und natürlich stand er auch den Wirtschaftsinitiative-Mitgliedern Rede und Antwort, die sich unter anderem für seine Sicht auf die derzeit großen Herausforderungen in der Baubranche interessierten.

Quintessenz aus der Veranstaltung: Ein jahrtausendealter Baustoff erfindet sich gerade neu – und Heidelberg Materials hat die Nase vorn.

Fotos: Kirsten Bucher

„Wirtschaftsgespräche am Main“ ist ein exklusives Veranstaltungs- und Kooperationsformat, das die Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain gemeinsam mit der F.A.Z. und dem Hotel Steigenberger Icon Frankfurter Hof ausrichtet. In der Regel finden zwei bis vier Ausgaben pro Jahr statt.

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