Mitglieder 21.01.2021

Mitglied Berenberg: Interview mit Oliver Pietsch, Leiter Wealth Management der Niederlassung Frankfurt

„Wir haben in FrankfurtRheinMain viele innovative Unternehmen mit zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen“

Wie agiert ein 430 Jahre altes Bankhaus digital? Was treibt die Anleger und Kunden aktuell um? Und wie wird 2021 – gerade für die Wirtschaft in FrankfurtRheinMain? Diese und viele weitere Fragen beantwortet Oliver Pietsch im aktuellen Mitglieder-Interview. Seit vergangenem Oktober leitet er bei Berenberg das Wealth Management am Standort Frankfurt, zuvor war er lange Jahre bei der Commerzbank tätig. Mit dem gebürtigen Oberfranken gewinnt die Wirtschaftsinitiative einen engagierten Netzwerker – und bekennenden Fan der Region.

Herr Pietsch, Sie kennen FrankfurtRheinMain, den Finanzplatz, die Bankenlandschaft hervorragend. Was macht die älteste deutsche Privatbank so besonders?

Für mich sind es drei Dinge, die Berenberg besonders auszeichnen. Zunächst fällt der unternehmerische Spirit ins Auge. Bei rund 1.600 Mitarbeitern reden wir über ein kleineres Bankhaus. Wir haben geschäftsführende Gesellschafter, diese sind also wirklich auch operativ tätig. Man merkt sofort, dass Berenberg extrem schnell in den Entscheidungen und entschlossen in der Umsetzung ist – das ist eine große Hilfe in der Zusammenarbeit mit anspruchsvollen Kunden und sicher einzigartig in der komplexen Finanzwelt. Ein weiterer Punkt ist die smarte Art, mit der Berenberg unterschiedliche Kundengruppen zusammenbringt. Auf der einen Seite haben wir die Investoren, die ihr Kapital einbringen wollen. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die Kapital suchen. Zum Beispiel für Immobilienprojekte, Infrastrukturthemen oder Unternehmensbeteiligungen. Für das Matching sorgt eine breite Dienstleistungspalette, die wir auf unserer Berenberg-Plattform bündeln. Und der dritte Punkt: Berenberg wurde 1590 gegründet. Wir haben gerade das 430-jährige Jubiläum hinter uns. Wenn man so lange am Markt ist, heißt das, dass man sich immer wieder ein Stück weit neu erfinden und vor allem mit der Zeit gehen muss. Das hat Berenberg in der Vergangenheit sehr erfolgreich getan. Und gerade erlebe ich, mit wie viel Elan, Begeisterung und Weitblick gearbeitet wird, um diese Geschichte fortzuschreiben.

Wie schlägt sich Berenberg im aktuellen Fahrwasser?

Sehr gut. Denn wir haben ein Geschäftsmodell, das auch in diesen schwierigen Zeiten funktioniert. Wir profitieren unter anderem davon, dass wir uns nach der Finanzkrise nicht aus dem Kapitalmarktgeschäft zurückgezogen, sondern unsere Expertise hier ausgebaut haben. Berenberg hat zwar sein Mutterhaus in Hamburg, aber wir sitzen auch in London und New York und natürlich haben wir Frankfurt als ganz wichtigen Standort – mit Asset Management, Corporate Banking, Investment Banking und Wealth Management.

Welche Strategien und Maßnahmen verfolgt die Bank im zweiten Pandemie-Jahr? Was wollen und brauchen Anleger und Kunden – und was bieten Sie ihnen?

Es ist unser Anspruch, unseren Kunden Guidance zu geben, ihnen dabei zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und diese dann auch umzusetzen. Wir versuchen, durch unsere Erfahrung und Expertise zu antizipieren, was passieren wird. Das machen wir rational und angstfrei und stets mit einer klaren Meinung. So vermitteln wir als Sparringspartner Sicherheit, etwas, das unsere Kunden schätzen – egal ob Geld investiert werden soll oder gesucht wird. Weitere Fragen, die uns immer wieder gestellt werden, sind: Gebe ich das Unternehmen an die nächste Generation weiter oder verkaufe ich es? Wie kann ich gemeinnützig oder mildtätig aktiv werden? Wie kann ich mein Vermögen oder das meiner Stiftung gewinnbringend und gleichzeitig möglichst sicher anlegen? Gerade in den letzten Jahren ist es Berenberg sehr gut gelungen, hier großen Mehrwert für Kunden zu generieren. Vor kurzem haben wir erst wieder ein Top-Rating für unsere Investment-Fonds erhalten, zudem ein Siegel für nachhaltige Geldanlage und eine Auszeichnung für unsere Wealth Management-Beratung.

Wie funktioniert digitale Innovation bei Berenberg? Arbeiten Sie auch mit Start-ups zusammen?

Wie agiert ein 430 Jahre altes Unternehmen digital? Indem es die persönliche Beratung und die digitale Abwicklung optimal verbindet. Denn das ist es, was unsere Kunden von uns haben möchten. Sie wollen mit uns direkt sprechen, aber natürlich – wie jeder heute – schnell und einfach Bankgeschäfte über Apps und Online-Banking tätigen. Wir haben sowohl ein hervorragendes Online-Banking als auch eine sehr funktionale App. Da sind wir definitiv im State of the Art, dank einer eigenen Abteilung, die sich rund um die Uhr damit beschäftigt.

In der Tat arbeiten wir auch mit Start-ups zusammen. Ein gutes Beispiel ist die Kooperation mit dem Berliner Finanzdienstleister Moonfare im Bereich Private Equity. Komplexe Unternehmensbeteiligungen in Private Equity-Fonds sind normalerweise nur einer sehr ausgewählten Investorengruppe zugängig, weil die Investitionssummen meist im zweistelligen Millionenbereich liegen. Moonfare hat nun ein intelligentes Modell entwickelt, das es auch Privatkunden möglich macht, sich ab einer gewissen Losgröße mit kleineren Beträgen zu beteiligen. Alles funktioniert digital. Wir bringen unsere Kunden mit Moonfare zusammen und übernehmen gleichzeitig die fachliche und inhaltliche Beratung. Unsere Kunden können sich dann über die digitale Plattform an Investments beteiligen und deren Entwicklung anschließend jederzeit bequem und übersichtlich verfolgen. In Sachen Start-ups kommt ergänzend hinzu, dass wir mit unserer Kapitalmarktexpertise in der Investmentbank auch IPOs, Pre-IPOs und Aktienplatzierungen begleiten und junge, aussichtsreiche Unternehmen bei ihrer finanziellen Entwicklung unterstützen. In der Vergangenheit war Berenberg bei diversen prominenten Börsengängen beteiligt – sei es HelloFresh oder CureVac.

Ohne unserer gemeinsamen Digitalveranstaltung mit Berenberg-Chefvolkswirt Dr. Holger Schmieding zu sehr vorauszugreifen: Wie sieht Ihr Ausblick auf die Wirtschaft 2021 aus?

Hier kann man zwei Facetten unterscheiden. Einmal die rein volkswirtschaftliche. Dr. Schmieding hat es selbst kürzlich formuliert: Die Ampeln für die Weltkonjunktur stehen auf Grün. Wo kommt das her? Wir werden im Kampf gegen COVID-19 weiterkommen, nicht kurzfristig, aber hoffentlich beginnend mit dem Frühling und vor allem dank der Impfmöglichkeiten. Das wird natürlich bei einem Wiedererstarken sämtlicher Konjunkturbereiche helfen. Und: Die politischen Unsicherheiten lichten sich. Auch wenn rund um das Thema Präsidentschaft in den USA und die konkreten Brexit-Auswirkungen nach wie vor so einiges los ist, glauben wir, dass die gewonnene Klarheit zu einer Erholung führen wird. Was die Kapitalmärkte anbelangt: Hier dürfte die voranschreitende Konjunkturerholung positiv bewertet werden. Es gibt zudem immer noch immense Volumina an Liquidität, die nicht investiert sind. Und auch die fiskalpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken werden das Ganze befeuern. Dr. Schmieding wird seine Perspektiven gerne mit dem Netzwerk der Wirtschaftsinitiative teilen – wir freuen uns auf die gemeinsame virtuelle Veranstaltung am 28. Januar.

Und wie steht es um FrankfurtRheinMain? Wie wird unsere Metropolregion aus Ihrer Sicht durch die Krise und aus der Krise herauskommen?

Grundsätzlich lassen sich ja unterschiedliche Betroffenheiten beobachten. Luftfahrt, Tourismus, Veranstaltungen, Gastronomie – diese Branchen sind in unserer Region groß und leiden natürlich stark. Manche Bereiche haben sich dagegen relativ schnell wieder erholt. Und wie bei jeder Krise gibt es auch Gewinner, die entweder neue Geschäftsmodelle entwickelt oder bestehende verstärkt haben. Das beste Beispiel ist da sicher BioNTech. Vor einem Jahr hat das Mainzer Unternehmen kaum jemand gekannt, heute gehört es zu den weltweiten Vorreitern bei der Corona-Impfstoffentwicklung. BioNTech haben wir übrigens seinerzeit auch beim Börsengang begleitet. Wir haben in FrankfurtRheinMain zudem viele innovative Unternehmen mit zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen, die sich mit IT und Digitalisierung beschäftigen. Ich glaube, wenn die Shutdown- und Lockdown-Phasen einmal überwunden sind und Gastronomie, Tourismus etc. wieder anziehen, wird FrankfurtRheinMain gut durch die Krise hindurchgekommen sein.

Ganz persönlich: Was motiviert Sie, in der Wirtschaftsinitiative aktiv zu sein und sich für die Metropolregion FrankfurtRheinMain einzusetzen?

Ich bin seit fast 15 Jahren Wahl-Frankfurter, komme ursprünglich aus Oberfranken. Ich liebe diese Region, weil mich die Vielseitigkeit begeistert. Von kleinen Start-ups bis hin zu großen Konzernen, die mehrere 100.000 Menschen beschäftigen, finden wir hier alles. Das gleiche gilt auch für die Kultur mit so unterschiedlichen Orten wie dem English Theatre , dem Städel oder dem Schlachthof in Wiesbaden. Ich genieße es, in der Innenstadt zu arbeiten und eine tolle Infrastruktur zu nutzen. Genauso freue ich mich, dass ich nur eine Viertelstunde bis nach Eschersheim brauche, wo ich wohne. In fünf Minuten bin ich dann zum Joggen an der Nidda. Der Feldberg und die Weingüter im Rheingau sind auch nicht weit. Diese Kombination ist großartig. Die Wege sind einfach kurz. Ein Riesen-Vorteil. Das erkläre ich jedem, wenn ich Werbung für unsere Region mache.

Welche Benefits erwarten Sie von einem regionalen Unternehmernetzwerk?

Ich bin felsenfest davon überzeugt: Wenn Menschen aufeinander treffen, die offen sind und branchen- und unternehmensübergreifend diskutieren, dann lassen sich daraus ganz hervorragende Lösungen, Ideen und Projekte entwickeln, die der Ökonomie und vor allem auch der Region helfen. Ich verspreche mir von meinem Engagement bei der Wirtschaftsinitiative, dass wir uns in diesem Netzwerk gegenseitig unterstützen und auch voneinander lernen und dass wir befindlichkeitsfrei für FrankfurtRheinMain an einem Strang ziehen. Frankfurt ist einer der wichtigsten und größten Standorte von Berenberg und wir sehen uns in der unternehmerischen Verpflichtung, in der Region aktiv zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Da ist natürlich auch durchaus ein gewisses Eigeninteresse dabei. Wir suchen immer gute und talentierte Mitarbeiter. Die bekommen wir als attraktiver Arbeitgeber in einer attraktiven Region leichter. Und das hilft am Ende unseren Kunden.

Vielen Dank.

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Zur Person:

Oliver Pietsch ist seit Oktober 2020 Leiter Wealth Management der Niederlassung Frankfurt von Berenberg. Vor seinem Wechsel zu Deutschlands ältester Privatbank war der gebürtige Oberfranke zuletzt als Head of International Wealth Management bei der Commerzbank in Frankfurt tätig. Mit der Mainmetropole verbunden ist der 41-Jährige seit dem Jahr 2000, als er sein Betriebswirtschaftsstudium an der Frankfurt School of Finance begann. Berenberg ist seit 2013 Mitglied der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain.

Fotos © Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG

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