Wirtschaftsinitiative inside 17.05.2021

25 Jahre Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain: Fünf Fragen an Prof. Dr. Wilhelm Bender

„Die Region muss ihre Chancen noch besser nutzen und ihre Stärken weiter ausbauen“

Er war Fraport-CEO und Aufsichtsratschef von Eintracht Frankfurt, er engagiert sich bei den „Freunden" der Goethe-Universität und an vielen anderen gesellschaftlichen Stellen. Und: Er ist einer der Gründerväter der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain, bis heute prägender Kopf und als Vorstandsvorsitzender aktiv. Prof. Dr. Wilhelm Benders Herz schlägt für die Region, ihre Menschen und Unternehmen – so viel ist klar. Nach einem Vierteljahrhundert Wirtschaftsinitiative zieht er Bilanz und schaut nach vorn. Warum es ein starkes Business-Netzwerk mit regionalem Fokus vor 25 Jahren brauchte und warum das auch weiterhin so ist, erläutert er im Jubiläums-Interview.

Herr Prof. Bender, wie kam es zur Gründung der Wirtschaftsinitiative und wer waren die Treiber hinter der Idee?

40 Unternehmer trafen sich im Mai 1996, um Nägel mit Köpfen zu machen. Alle waren überzeugt: Es braucht ein aktives Wirtschaftsnetzwerk, das die Interessen der regionalen Unternehmen artikuliert und durchsetzt, dabei über Grenzen hinwegdenkt und die Ebene der Metropolregion in den Mittelpunkt stellt. Ihr Ziel: FrankfurtRheinMain als gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensraum stärken und im Wettbewerb mit anderen Regionen schlagkräftig aufstellen. Das hat bis heute Bestand und ist wichtiger denn je. Zumal die polyzentrische Struktur, die als besonderes Merkmal unserer Region gilt, ja gleichzeitig auch ein Nachteil ist. Denn Metropolregionen mit einer zentralen politischen Führung können viel stringenter handeln.

Es gab zunächst eine Handvoll Personen, die vor 25 Jahren die gleichen Sichtweisen teilte und die Gründung betrieb. Das war zum einen Dr. Frank Niethammer, zu dieser Zeit Präsident der IHK Frankfurt, den ich sehr geschätzt habe, leider lebt er nicht mehr. Zum anderen Eike Markau, damals Chef der Messe Frankfurt. Und Klaus Wächter, Vorstandssprecher der Frankfurter Sparkasse, der unser erster Schatzmeister wurde. Als CEO der Fraport AG gehörte ich seinerzeit ebenfalls zu diesem Kreis. Sukzessive konnten wir dann weitere Mitstreiter für unsere Sache gewinnen. Die Unterzeichnung der Gründungsakte haben wir übrigens eher unspektakulär gestaltet. Am wichtigsten war uns, direkt in den intensiven Austausch einzusteigen. Dr. Niethammer, der der erste Vorsitzende der Wirtschaftsinitiative war, hat gerade die Gründungsphase sehr sensibel gehandhabt und dadurch für Akzeptanz gesorgt. So konnten wir als neu gegründete Organisation schnell unseren Platz finden.

Zweieinhalb Jahrzehnte später: Welche Momente sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Ich habe viele positive Erinnerungen und möchte gerne einige teilen. Da sind natürlich unsere Veranstaltungen – hier denke ich besonders an die Wirtschaftsgespräche am Main, an die zahlreichen hochkarätigen Gäste aus Wirtschaft und Politik, die uns spannende Einblicke boten. Ich hoffe sehr, dass wir hier bald wieder anknüpfen können. Sehr positiv bewerte ich zudem die engagierten Diskussionen rund um die strategische Ausrichtung der Metropolregion, die wir 2008 im Rahmen der „Themenwelt" gestartet haben. Ewiger Drehpunkt, Offene Denkmaschine, Wachsende Schönheit: Diese Zuschreibungen finde ich nach wie vor unglaublich stimmig und zukunftsweisend für unsere Region. Sicher eine Sternstunde, dass wir diesen starken strategischen Impuls setzen konnten, der bis heute ein Kompass ist.

Ein weiterer Höhepunkt war 2005 die Gründung der FRM GmbH, die die Metropolregion seither im internationalen Standortmarketing gesamthaft vertritt. Hieran haben wir sehr aktiv mitgewirkt und uns von Anfang an als Gesellschafter engagiert. Und wenn wir zeitlich noch etwas weiter zurückgehen, denke ich an die Bewerbung um die Olympischen Spiele 2012, die die Wirtschaftsinitiative maßgeblich begleitet hat. Obwohl es am Ende nicht gereicht hat, Leipzig auf nationaler Ebene gewann und London die Spiele bekam: Dies war ein Erfolg im Misserfolg. Schließlich konnten wir zum ersten Mal die gesamte Region FrankfurtRheinMain hinter einer Idee versammeln und die institutionalisierte Zusammenarbeit austesten. Darüber hinaus darf in meiner Aufzählung nicht die Durchsetzung des „Houses of"-Konzepts fehlen, das die Gründung von Branchenkompetenzzentren entlang einer Cluster-Strategie beinhaltet. Heute arbeiten „Houses" – von Finance über Pharma / Healthcare bis Logistics / Mobility und IT / Digital Transformation – daran, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammenzubringen und die Stärken der Region zu bündeln. Dass das so ist, kann sich die Wirtschaftsinitiative durchaus auf die Fahnen schreiben. Vergessen möchte ich auch nicht den Regionalpark RheinMain, der ein riesiges Identifikationspotenzial für die Region bietet und sich in Zeiten der Pandemie als besonders wertvoll erweist. Oder den Ausbau des Flughafens, den die Wirtschaftsinitiative von Anfang an gefordert hat. Und ganz persönlich nehme ich aus 25 Jahren eine durchgängig sehr angenehme und konstruktive Zusammenarbeit im Vorstand mit – in allen verschiedenen Zusammensetzungen.

Zum Gesamtbild gehört in der Rückschau aber auch: Wir sind in FrankfurtRheinMain weiterhin zu langsam in der Veränderung. Das haben wir bei unserer Gründung beklagt, kontinuierlich angemahnt und stellen es bis heute fest. Die Ebene der Metropolregion wird immer wichtiger und bestimmt das Geschehen an vielen Stellen bereits mehr als die Nationalstaaten. Damit muss die Politik, die ja in der Unterstützung unserer Metropolregion immer geschwankt hat, umgehen. Da geht es auch um einen Bewusstseinsprozess. Unser Jubiläum wollen wir für einen neuen Anlauf nutzen, um unter anderem auf die Landtagsfraktionen in Wiesbaden zuzugehen und hier neue Bewegung anzustoßen. Die Botschaft dabei: Wir bleiben dran und versuchen weiterhin, die dicken Bretter zu bohren. Vielen Dank an alle Mitglieder, die uns ihr Vertrauen schenken. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir seit 25 Jahren die Unterstützung der führenden Unternehmen in FrankfurtRheinMain erhalten.

Wie blicken Sie heute auf die Wirtschaftsinitiative – und auf die Metropolregion?

2021 setzen sich nun knapp 130 Mitglieder in der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain für ihre Region ein – vom internationalen Großkonzern bis zum Mittelständler, vom kleinen Dienstleister bis zum Startup! Eine tolle Geschichte! Gerade in Zeiten der Pandemie hat sich gezeigt, wie wertvoll, hilfreich und belastbar unser Netzwerk ist, wenn es darauf ankommt. Als Stimme der Wirtschaft werden wir gehört und als strategischer Impulsgeber gebraucht. Wir schauen mit Selbstbewusstsein zurück und nach vorne.

Was die Metropolregion betrifft: Es ist in den letzten Jahren gelungen, auch international ein sichtbares Profil für FrankfurtRheinMain zu entwickeln – entlang der so wichtigen Cluster. Ob Finanzplatz, Logistikzentrum, Internetknoten oder die Apotheke Deutschlands: Wir sind gut unterwegs, doch da geht noch mehr. Der nationale und internationale Wettbewerb schläft nicht. Um auch in Zukunft mithalten zu können, müssen wir uns rüsten. Man darf sich nicht nur im Innenverhältnis betrachten und sich auf die Schulter klopfen. Wir werden gemessen an dem, was andere schaffen. Das heißt: Die Region muss ihre Chancen insgesamt noch besser nutzen und die Stärken der Cluster weiter ausbauen.

Im Wettbewerb der Metropolregionen: Welche wichtigen Themen müssen wir jetzt angehen?

Es wäre aus meiner Sicht Zeit, endlich den Regionalverband FrankfurtRheinMain, dem die Flächennutzungsplanung obliegt, an das tatsächliche Gebiet der Metropolregion anzupassen. Zudem arbeiten wir seit Jahren auf mehr Verbindlichkeit und Stringenz in der regionalen Zusammenarbeit hin. Auf politischer Ebene können hier unter anderem Staatsverträge zwischen Hessen, Bayern und Rheinland-Pfalz helfen, die gemeinsamen Handlungsfelder bundesländerübergreifend zu regeln. Am Beispiel der gelungenen Brexit-Kampagne in London haben wir ja sehr anschaulich gesehen, wie gut es für unsere Region laufen kann, wenn alle relevanten Akteure an einem Strang ziehen.

Eine verbindlichere Zusammenarbeit braucht es aber nicht nur zwischen den einzelnen politischen Ebenen, sondern auch zwischen Wirtschaft und Politik. Wenn wir uns das offensiv vorgetragene chinesische Modell anschauen, dann ist diese Schnittstelle dort gar nicht relevant, weil es sie nicht gibt. Diesem Wettbewerb sind wir ausgesetzt – ob wir wollen oder nicht. Beim Thema Strategie verhält es sich ähnlich – Stichwort Seidenstraße. Das Projekt ist machtpolitisch zu hinterfragen und zu kritisieren, aber China hat einen klaren Plan und zieht ihn sehr konsequent durch, auch mit Blick auf die Ressourcenallokation. Wir müssen hier im Herzen Europas beweisen, dass wir trotz aller Komplexität, die Gewaltenteilung, demokratische Prozesse und Föderalismus mit sich bringen, in der Lage sind, den aktuellen Herausforderungen zu begegnen.

Dafür müssen wir unsere Metropolregion langfristig strategiefähig machen. FrankfurtRheinMain steuert einen Großteil des hessischen Bruttoinlandsprodukts bei. Es ist nicht selbstverständlich, dass das so bleibt. Also wäre gerade seitens der hessischen Politik eine Strategie, die dem Rechnung trägt, wünschenswert. Das haben wir im Übrigen bereits vor 25 Jahren genauso gesehen.

Wie wird FrankfurtRheinMain aus der aktuellen Krise herauskommen?

Natürlich ist der Bereich Logistik und Luftfahrt in der Region derzeit mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Aber ich bin sehr optimistisch, dass der Flugverkehr zurückkommen wird – und dann brauchen wir auch den ausgebauten Flughafen. Logistik sollte man zudem nicht über einen Kamm scheren, es gibt ja hier ebenso Pandemiegewinner. Darüber hinaus ist mir noch sehr gut Dr. Holger Schmieding, der renommierte Chefvolkswirt unseres Mitglieds Berenberg, im Ohr, der bei einer gemeinsamen Online-Veranstaltung am Jahresbeginn auf die krisenbedingt hohe Sparquote in Deutschland, Europa und den USA hingewiesen hatte. Ich bin sicher, dass von diesen unfreiwilligen privaten Rücklagen auch einiges in die Reisebranche fließen wird, sobald es wieder möglich ist.

Insgesamt kommen wir mit unserer diversifizierten Wirtschaftsstruktur und unseren Cluster-Branchen – abgesehen von der Luftfahrt – gut durch die Krise, denke ich. Die Politik ist in jedem Fall aufgerufen, die Konjunkturerholung nicht fiskalisch und regulatorisch zu gefährden.

Ein Wort noch zu Pharma und BioNTech: Ich finde, wir sind viel zu wenig stolz darauf, dass dieses Unternehmen aus unserer Region kommt und mit seinem neuartigen Corona-Impfstoff – und das sage ich ohne Übertreibung – gerade signifikant dazu beiträgt, die Welt zu retten. Diese Leistung kann man nicht hoch genug einschätzen.

 

Fotos: u.a. Kirsten Bucher

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