Events 09.12.2020

Deutsches Architekturmuseum: Virtueller Bürgerdialog zur Zukunft der Städtischen Bühnen Frankfurt

Wirtschaftsinitiative diskutiert mit Expertenrunde im Livestream

Frankfurts Oper und Schauspiel sind marode und nicht mehr zeitgemäß, müssen neu gedacht und gebaut werden. Aber wie sollten die zukünftigen Spielstätten gestaltet sein? Wie können sich Theater und Opernhäuser mit ihrer Umgebung, dem Stadtraum und der Stadtgesellschaft vernetzen? Und welche Rolle spielen Kulturinstitutionen für den Standort und die Wirtschaft? Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) hat jetzt einen Bürgerdialog zu diesen wichtigen Fragen eröffnet. Auf dem Podium der virtuellen Veranstaltung „Offene Bühnen – Öffentliche Räume": Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt, zwei renommierte Wissenschaftler, die sich mit Stadt- und Regionalsoziologie sowie Architekturtheorie auskennen, und Wirtschaftsinitiative-Geschäftsführer Jörg Schaub. Unter Corona-Bedingungen natürlich via Livestream und Chat – mit regem Austausch, zahlreichen Ideen aus dem Publikum und klaren Bekenntnissen.

Eine „Kulturmeile" für die Frankfurter Innenstadt?

Die Politik hat die erste zentrale Weichenstellung bereits vorgenommen: Die Frankfurter Stadtverordneten wollen einen Neubau der Städtischen Bühnen. Vorausgegangen ist ein ausführlicher Prozess, der die Sanierung des Doppelbaus aus Schauspiel und Oper am Willy-Brandt-Platz auf Herz und Nieren prüfte. Das deutliche Ergebnis: ein Neubau stellt die kosteneffizientere und zukunftsträchtigere Lösung dar. Eine Initiative, die sich für den Erhalt des Operngebäudes einsetzte, hat jedoch einen kleinen Teilsieg errungen. Das prägnante Wolken-Foyer soll unter Denkmalschutz gestellt werden. Frankfurts Kulturdezernentin begrüßt diese Entscheidung. „Der 60er-Jahre-Glasbau mit seiner Wolken-Installation steht für Transparenz und den Aufbruch in eine demokratische Kultur der Nachkriegsära und ist besonders erhaltens- und schützenswert", sagte sie auf dem DAM-Podium. Wie eine Integration in die neuen Pläne aussehen kann, steht noch zur Disposition. Dr. Ina Hartwigs präferierte Vision ist der Neubau des Schauspiels an alter Stelle und der Neubau der Oper auf dem Sparkassengelände an der Wallanlage. Vom Jüdischen Museum bis zur Alten Oper könne so eine lebendige „Kulturmeile" entstehen, die neue Perspektiven für die Frankfurter Innenstadt eröffne – durch eine reizvolle Mischung aus Grünflächen, Hochhäusern und Gebäuden mit verschiedenen Funktionen.

Schwellenängste abbauen

Prof. Dr. Ingrid Breckner, Leiterin des Arbeitsgebiets Stadt- und Regionalsoziologie an der HCU Hamburg, plädierte in diesem Zusammenhang für eine öffentliche Zugänglichkeit und attraktive Erdgeschossgestaltung der neuen Kulturhäuser. Durch Nutzungsangebote während des Tages – Gastronomie, Aufenthaltsflächen, eine Bibliothek etc. – könnten Schwellenängste überwunden werden. „Ein Theater muss ein ‚normaler' Ort sein, der Raumqualität bietet und sich für die Diversität der Gesellschaft öffnet." Einen Schuss Skepsis brachte Prof. Dr. Falk Jaeger, Architekturkritiker und Publizist aus Berlin, der Architekturtheorie lehrt, in die Diskussion ein. Bei der vorgestellten „Kulturmeile" sehe er viel Marketing im Spiel. Und bei multifunktionalen Nutzungskonzepten dürfe die Feierlichkeit und kontemplative Stimmung des Kulturbaus nicht verloren gehen.

Das Momentum nutzen

Wirtschaftsinitiative-Geschäftsführer Jörg Schaub brach derweil eine Lanze für ein mutiges Vorgehen bei der Neugestaltung der Städtischen Bühnen. „Wir müssen das Momentum nutzen und dürfen die großen Potenziale, die sich hier für Frankfurt und die Region bieten, nicht liegen lassen." Kultur gehöre zu den sogenannten „weichen Faktoren" und spiele eine große Rolle im Standortwettbewerb. „Welche Story wollen wir in Frankfurt erzählen? Warum sollen Menschen in unsere Region kommen? Die neuen Kulturgebäude können wunderbare Vehikel, Begegnungsstätten, Ankerpunkte, touristische Hotspots oder ein Teil der Skyline sein – der Fantasie sollten keine Grenzen gesetzt sein", machte sich Schaub für eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte stark. Die Kulturdezernentin pflichtete ihm bei: „Hier liegt die Chance, die Frankfurter Innenstadt in die Zukunft zu entwickeln. Hier bündeln sich die großen Fragen des 21. Jahrhunderts." Gerade Corona mache deutlich, wie sehr die Innenstädte im Wandel begriffen seien, so Schaub. „Ohne Touristen und mit deutlich weniger Pendlern und Business-Gästen wird deutlich, dass Frankfurt die Kaufkraft alleine nicht auf die Straße bringen kann. Wir brauchen neue Magnete für die Innenstadt."

Offene Gesellschaft, offene Räume, offene Bühnen

Wo die Städtischen Bühnen nun gebaut werden sollen, steht indes noch nicht fest. Verschiedene Standorte sind in der Diskussion, neben der Innenstadt auch eine Lage am Osthafen. „Wir sind schon sehr weit gekommen", betonte Dr. Hartwig. Sobald das Stadtparlament eine Standortentscheidung getroffen habe, werde ein Architekturwettbewerb ausgelobt. Angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltungstendenzen müsse der gesamte Prozess eine integrative Kraft entfalten. „Kultur muss groß und gut und für alle da sein. Eine offene Gesellschaft braucht offene Räume und offene Bühnen." In der Abschlussrunde riet auch Prof. Breckner dringend dazu, einen begleitenden öffentlichen Dialog zu starten. Prof. Jaeger wünschte sich, es möge „eine tolle Architektur mit Leuchtturmcharakter entstehen, die international ausstrahlt". Jörg Schaub äußerte die Hoffnung auf kluge Entscheidungen und viel Auftrieb für die gesamte Region FrankfurtRheinMain. „Es ist ein gutes Zeichen, dass sich so viele Menschen für das Thema interessieren", resümierte Dr. Hartwig. Das bestätigten auch die zahlreichen Fragen und Ideen, die das Publikum via Chat-Tool an die Diskutanten adressierte. Im Januar soll der virtuelle Bürgerdialog des DAM weitergehen.

Mehr unter:
https://dam-online.de/veranstaltung/offene-buehnen-oeffentliche-raeume/

 

Fotos © pexels.com, Stadt Hanau, BMW Niederlassung Frankfurt

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