Wirtschaftsgespräche am Main 30.08.2019

Wirtschaftsgespräche am Main mit Nick Jue, CEO der ING in Deutschland

„Die Bank wird immer mehr zum IT-Unternehmen“

Buzzword, Bedrohung, Chance, Allheilmittel? Egal, wie man es dreht und wendet: Die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben – und sie wird weiterhin vieles verändern. Was genau, das vermag auch Nick Jue, Chef der ING in Deutschland, nicht mit Sicherheit vorherzusagen. Aber er hat sehr klare Vorstellungen, wie er die Bank in die Zukunft führen möchte. Agilität und die schnelle und flexible Reaktion auf Kundenbedürfnisse spielen dabei eine zentrale Rolle. In seiner Keynote im Rahmen der 104. Wirtschaftsgespräche am Main bot er den zahlreichen gespannten Gästen einen Blick hinter die Kulissen von Deutschlands erster agiler Bank und beantwortete auch die Frage: Wie geht eigentlich agile Vorstandsarbeit?

„Agile Banking ist das Banking der Zukunft", machte Nick Jue seinen engagierten Vortrag auf. Netflix, Spotify, Uber, Airbnb & Co. seien es, die die Wahrnehmung digitaler Services prägen. „Sie sind rund um die Uhr verfügbar, das erwarten Kunden heute auch von einer Bank." Insbesondere das Mobile Banking sieht Jue dabei vorne – wenngleich es in Deutschland bislang nur zurückhaltende zwölf Prozent nutzen. Allein im vergangenen Jahr habe sich die Zahl der Mobile Banking-Nutzer unter den Kunden der ING in Deutschland jedoch verdoppelt. „Man wird nur noch das Smartphone für das Banking brauchen. Das wird kommen", ist der gebürtige Niederländer überzeugt.

Agil denken, schnell reagieren

Die „DiBa", die diesen Namensbestandteil inzwischen nicht mehr nutzt, hat schon immer Maßstäbe gesetzt – sei es als Direktbank ohne Filialnetz, im Online-Banking oder mit einem „Beipackzettel" für Anlageprodukte. Folgerichtig, dass sie auch im Agile Banking in den Lead geht. „Die Kunden bestimmen, es muss alles möglich sein. Wer als Unternehmen am Status quo festhält, läuft Gefahr, überholt zu werden", so Jue. Gerade angesichts der neuen Player auf dem Markt. Die Wettbewerber der Banken kommen heute aus dem BigTech- oder FinTech-Bereich, heißen Amazon und Facebook oder Scalable Capital und Yareto. Partnerschaften mit den deutlich kleineren, aber in ihren Nischen erfolgreichen FinTechs seien da ein Mittel der Wahl. So ist die ING etwa eine Kooperation mit Scalable Capital eingegangen und bietet ihren Kunden jetzt auch die Geldanlage via Robo-Advisor an.

„Agilität ist ein Enabler – und vor allem ein Mindset", beschreibt der Bank-CEO die Methode, die aus der Software-Entwicklung stammt. Hinter Begriffen wie Scrum und Kanban verbirgt sich die Zusammenarbeit in kleinen, multidisziplinären Teams und das „Empowerment" der Mitarbeiter mit viel mehr Handlungsfreiheit und Eigenverantwortung. Führungskräften kommt dabei mehr die Rolle eines Sparringspartners zu. Alle Mitarbeiter der ING in Deutschland mussten sich neu um ihren Job bewerben. Selbstredend waren nicht alle von den Veränderungen begeistert, insbesondere einige Führungskräfte haben das Unternehmen verlassen. „Die Bank wird immer mehr zum IT-Unternehmen. Unsere agile Arbeitsweise macht hier derzeit den Unterschied", sieht Jue die Umstellung auf einem guten Weg. Stichtag für den Start der gesamten agilen Organisation ist in wenigen Tagen, am 1. September.

Alle an einem Tisch

Zum iterativen Prinzip der Agilität gehört es auch, immer wieder Lernkurven zu fahren. „Neues Denken braucht Mut, Dinge auszuprobieren", so Jue. Dazu sei auch eine Fehlerkultur notwendig, die er versuche vorzuleben. „Damit signalisiere ich den Mitarbeitern: Ich mache Fehler, das ist okay, ich bin nach wie vor hier." Ohnehin sei gerade das Vorstandsteam gefordert, als Beispiel in Sachen Agilität voranzugehen. „Während der letzten Weihnachtsferien haben wir die Vorstandsbüros abgeschafft. Wir sitzen jetzt alle in einem Raum an einem Tisch. Der Effekt ist deutlich spürbar. Man redet viel mehr miteinander. Manchmal haben wir uns beim Jour fixe gar nichts mehr zu erzählen."

In der obligatorischen Fragerunde, moderiert von F.A.Z.-Wirtschaftsredakteur Manfred Köhler, kamen schließlich die Teilnehmer des Business-Luncheon zum Zug. „Die Fragen finde ich ja immer am besten", zeigte sich Jue hier besonders offen. „Nick Jue hat – ohne den Begriff zu verwenden – die konsequente Plattform-Strategie der ING vorgestellt. Noch entscheidender war die Schilderung des Umbaus der Unternehmenskultur in Richtung Agile. Denn am Ende ist für Innovationen die Unternehmenskultur der grundlegende Faktor. Ohne Innovationskultur keine Innovation", so das Gäste-Fazit von Philipp Harrschar, Director Business Development von Mitglied Zühlke. Prof. Dr. Wilhelm Bender, Vorstandsvorsitzender der Wirtschaftsinitiative, dankte dem Redner und der ING nicht nur für den anschaulichen Ausflug in die Welt des Agile Banking, sondern auch für das langjährige Engagement und Commitment des Unternehmens. Die ING ist seit 2012 Teil des Unternehmernetzwerks.

Fotos: Holger Peters

„Wirtschaftsgespräche am Main" ist ein exklusives Veranstaltungs- und Kooperationsformat, das die Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain gemeinsam mit der Messe Frankfurt, dem Hotel InterContinental Frankfurt und der F.A.Z. ausrichtet.

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