Events 01.11.2019

11. Deutsches Wirtschaftsforum: Europa am Scheideweg

„Das Glas ist halb voll“

Auf das Deutsche Wirtschaftsforum ist Verlass: In der Paulskirche wird Tacheles geredet. Über Probleme, Potenziale und Perspektiven. Über Deutschland, Europa und die Welt. Wie gehen wir mit den aktuellen Unsicherheiten um – vom Handelsstreit zwischen USA und China über die Querelen um den Brexit bis zur Iran-Krise? Erwartet uns eine Rezession oder ist das Schwarzmalerei? Wie bleibt Europa in wichtigen Zukunftsfragen handlungs- und wettbewerbsfähig – sei es bei Klimaschutz oder Digitalisierung? Und wo steht die Demokratie in Ost, West und Gesamtdeutschland 30 Jahre nach dem Mauerfall? Antworten, die es in sich hatten, gab es auch bei Ausgabe elf der hochkarätig besetzten Veranstaltung.

Die Weltordnung ist im Wandel – und Europa steht am Scheideweg. Soweit die These der ersten Session. „Ist Europa inzwischen ein Vegetarier unter Fleischfressern?", lautete denn die zentrale Frage, der sich zunächst Jean-Claude Trichet, ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), stellte. Auf lange Sicht werde es ein europäisches Verteidigungssystem brauchen, gab er sich überzeugt und wünschte natürlich Christine Lagarde, die dieser Tage die Nachfolge von Mario Draghi antrat, viel Erfolg in ihrem neuen Amt als EZB-Präsidentin. Eine interessante Sichtweise auf Europa bot zudem Dr. Daniel Risch. Der stellvertretende Regierungschef Liechtensteins sprach über die Freiheiten des europäischen Wirtschaftsraums. „Die Balance zwischen Eigenständigkeit und Eingebundensein ist das, was Europa ausmacht." Die Gäste lernten außerdem, dass das Fürstentum mehr Arbeitnehmer als Einwohner hat.

Dann kam Daniel Cohn-Bendit. Der deutsch-französische Publizist und ehemalige Abgeordnete des Europa-Parlaments ist bekannt für seine „klare Kante". Gefragt nach der Zukunft Europas, sagte er: „Lasst uns stolz sein auf das, was wir in Europa seit 1945 geschafft haben! Ich habe diese Nörgelei satt. Für mich ist das Glas halb voll. Trotzdem gibt es auf politischer Ebene natürlich noch viel zu tun!" Auch die spannendste Frage des Tages ging an ihn: Ob man die 68er-Bewegung und die jungen Klimaaktivisten von Fridays for Future vergleichen könne? „Emotional ist beides ähnlich strukturiert."

„Wer wirtschaftliche Verantwortung trägt, muss sich auch zwangsläufig politisch engagieren"

Die zweite, nicht minder prominent besetzte Session widmete sich der Wirtschaft im Umbruch und dem Dauerbrenner Digitalisierung. Was muss passieren, um im Wettlauf um Innovation nicht nur den Anschluss zu halten, sondern vorne mit dabei zu sein? Aufs Podium baten die Organisatoren hierfür den ehemaligen CEO der Deutschen Telekom, der heute unter anderem im Aufsichtsrat von Airbus sitzt. „Offline ist die neue Angst", sagte René Obermann und forderte einen Pakt zwischen Politik und Wirtschaft. „Um etwa in Fragen der Künstlichen Intelligenz aufzuholen, brauchen Deutschland und Europa einem Mittelweg zwischen Schutz und Verwertbarkeit von Daten." Die Politik müsse Rahmenbedingungen für künftige Innovationen schaffen. „Hier sind auch wir gefragt. Denn: Wer wirtschaftliche Verantwortung trägt, muss sich auch zwangsläufig politisch engagieren", so sein Appell.

Im One-on-One beeindruckte zudem Johannes Reck. Der Co-Gründer und CEO von GetYourGuide beleuchtete das Startup-Ökosystem in Deutschland und Europa, sprach über die Schule als Ort, an dem Kinder denken lernen, plädierte für flexible Beteiligungsmodelle – und versprühte vor allem eine Menge positive Energie. Mit einer Bewertung von fast 1,8 Milliarden Dollar darf sich sein Reise-Startup inzwischen sogar „Einhorn" nennen.

Der Nachmittag stand schließlich im Zeichen des Jubiläums „30 Jahre Mauerfall" und unter dem Motto „ZEIT für Demokratie". Interessante Erkenntnis: Alt und Jung liegen heute bei gesellschaftspolitischen Fragen viel weiter auseinander als Ost und West.

Zum wiederholten Male fungierte die Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain als Netzwerkpartner des Deutschen Wirtschaftsforums und bot ihren Mitgliedern exklusive Teilnahmemöglichkeiten. Veranstaltet wird das erfolgreiche Dialogformat von Convent Kongresse. Das in Frankfurt ansässige Unternehmen gehört zur ZEIT-Verlagsgruppe und ist seinerseits seit zehn Jahren Mitglied im Unternehmernetzwerk.

Mehr unter:
https://convent.de/de/archiv/zeit-events/deutsches-wirtschaftsforum-2019

Foto © Convent Kongresse GmbH / Andreas Henn

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