Aus der Region 14.12.2018

Interview mit Kjell Schmidt, Geschäftsführer des Regionalparks RheinMain

„Unsere Region muss das Thema Lebensqualität in die Waagschale werfen, um sich im Standortwettbewerb absetzen zu können“

Im Gespräch mit dem Geschäftsführer des Regionalparks RheinMain Kjell Schmidt – über das wichtige „Alltagsgrün" in einem verdichteten Wirtschaftsraum, die nachhaltigen Aufgaben des Regionalparks und die vielfältigen Naturerlebnisse und Erholungsangebote, die es auch im neuen Jahr wieder auf den Routen quer durch FrankfurtRheinMain zu entdecken gibt.

Herr Schmidt, FrankfurtRheinMain ist die zweitgrünste Metropolregion Deutschlands – doch das kommt in der Innen- und Außenwahrnehmung oft zu kurz. Woran liegt das? Und was kann der Regionalpark RheinMain hier bewirken?

In FrankfurtRheinMain haben wir einen echten Vorteil: Wir sind keine Megacity, sondern ein Metropolenmosaik von Kommunen mit vielen grünen Zwischen- und Freiräumen. Dieses „Alltagsgrün" wird zwar von zahlreichen Menschen häufig genutzt, aber nicht so sehr als Natur- oder Erholungsraum abgespeichert. Hier kommt der Regionalpark RheinMain ins Spiel. Wir kümmern uns darum, diese Grünzüge aufzuwerten, sie sichtbar und zugänglich zu machen. Klar: Wir leben in einem verdichteten Wirtschaftsraum, es ist nicht alles idyllisch, aber garantiert spannend und an vielen Stellen richtig schön! Denn unsere Region kann mit einer unglaublichen Vielfalt punkten. Zwischen unseren charakteristischen Städten und Kommunen erstrecken sich Mittelgebirgs- und Flusslandschaften mit Wiesen, Wäldern und Wein, finden sich Landwirtschaft und Industriekultur neben historischen Orten. Und das bei maximal kurzen Wegen.

Der Regionalpark hat die Aufgabe, die grünen Mosaiksteinchen der Region mit einem Wegenetz zu verbinden, das zum Erleben und Erkunden einlädt, zu Fuß oder auf dem Fahrrad. Bis heute sind so insgesamt rund 550 Routen-Kilometer entstanden. Unser „Flagship" ist dabei die 190 Kilometer lange Rundroute. Es gibt aber auch themenbezogene Einzelrouten, etwa die Niddaroute oder die Limesroute. Alle Routen sind durchgehend ausgeschildert und mit Info-Stelen ausgestattet, je nach Route findet man zudem Sitzkiesel, Landschaftskunst oder sonstige Erlebniselemente. Besonders beliebt sind auch die Freizeitkarten, die wir dazu anbieten.

Wie funktioniert der Regionalpark, wie ist er organisiert?

Vor knapp 25 Jahren hat ein erfolgreiches Pilotprojekt zwischen Hattersheim und Hochheim den Ausschlag gegeben – daraus entstand der Regionalpark RheinMain. Als ein Vorbild diente der bereits bestehende GrünGürtel Frankfurt – bis heute das Herzstück des Regionalparks. Gesellschafter unserer GmbH sind die kreisfreien Städte und Kreise, der Regionalverband FrankfurtRheinMain und das Land Hessen. Gerade für die Kommunen ist es ein großer Vorteil, dass wir ihnen helfen, ihr Potenzial nachhaltig zu heben – indem wir mit einer Route einen Raum bespielen, der für sie in der täglichen Arbeit nicht im Fokus steht. Dabei bringen wir uns in der Konzept- und Entwicklungsphase sowie Finanzierung ein, während die Kommunen die Maßnahmenumsetzung und Pflege übernehmen. Für uns ist klar: Man kann das Thema Erholung und Lebensqualität nicht klein und kommunal denken. Und so denken wir durch und durch regional, kooperieren intensiv mit vielen der Regionalgesellschaften und freuen uns, dass auch die Wirtschaftsinitiative uns schon seit Jahren finanziell, mit guten Ideen und ihrem Netzwerk begleitet.

Gibt es eine – nationale oder internationale – Metropolregion, die Sie im Umgang mit Erholungs- und Erlebnisräumen für beispielgebend halten?

Grundsätzlich finde ich Regionen sympathisch, die sich etwas trauen und Mut zur Gestaltung zeigen. Der Metropole Ruhr ist mit dem Emscher Landschaftspark ein toller Wurf gelungen. Kopenhagen und Zürich sind hier ebenso Vorbilder. Die eine Stadt setzt konsequent auf den Fahrradverkehr, die andere hat die Entscheidung gefällt, keine neuen Bauzonen mehr auszuweisen, sondern die vorhandenen innovativer zu nutzen. Es würde auch FrankfurtRheinMain sehr guttun, etwas zu wagen. Das Potenzial, das wir als grüne Region haben, wird längst nicht ausgeschöpft. Unsere Region muss das Thema Lebensqualität in die Waagschale werfen, um sich im Standortwettbewerb absetzen zu können. Dafür braucht es aber in Zukunft deutlich mehr Gestaltungswillen, gerade, wenn es um Infrastruktur-Themen oder Landmark-Projekte geht.

Sie führen seit zwei Jahren die Geschäfte des Regionalparks. Was ist das Besondere und Reizvolle an diesem Job?

Ich arbeite mit einem grundpositiv besetzen Thema, bewege Inhalte, die Benefits für die Menschen der Region erzeugen, sehe konkrete Ergebnisse, habe mit ganz verschiedenen Menschen zu tun – natürlich macht das sehr viel Spaß. Auch in meinen vorherigen Tätigkeiten beim Naturpark Taunus und in einem Stiftungsprojekt war das schon angelegt. Ursprünglich bin ich Förster und habe nie gedacht, dass ich einmal in Rhein-Main arbeiten würde. Es zog mich immer in vermeintlich grünere Gefilde. Doch ich sehe die Region, in der ich auch aufgewachsen bin, heute mit ganz anderen Augen. Hier gibt es überall schöne Ecken, ich lerne viel Neues – das ist extrem spannend.

Der Regionalpark hat viele Highlights. Haben Sie persönliche Favoriten?

Einmal im Jahr fahre ich tatsächlich die gesamte Rundroute mit dem E-Bike ab – 190 Kilometer an einem Tag. Das ist natürlich etwas Besonderes und trotz Elektro-Unterstützung durchaus anstrengend. Aber mir wird dabei immer wieder sehr bewusst, wie abwechslungsreich unsere Region ist.

Darüber hinaus nenne ich gerne mein Top 3-Highlights, auch wenn die Auswahl wirklich schwerfällt. Da ist zum einen mein Arbeitsplatz am Regionalpark Portal an den Weilbacher Kiesgruben. Gerade auf den Regionalpark Turm zieht es mich regelmäßig. Auch das „Lindenbäumchen" in Oberursel kann ich für einen Abstecher sehr empfehlen. Die alte, knorrige Gerichtslinde steht mitten auf einem Feld und hat im letzten Jahr einen stählernen Rahmen erhalten, der das Naturdenkmal völlig neu inszeniert. Das hat Kontroversen und vor allem eine Beschäftigung mit Freiraum ausgelöst – so muss es aus meiner Sicht sein. Mein dritter Tipp ist die Kinzigroute, denn hier gibt es Wasserbüffel zu sehen. Diese exotischen Tiere leben tatsächlich über den Sommer im Naturschutzgebiet Weideswiesen und sorgen für eine einzigartige Biotoppflege und so für ein ungewohntes Landschaftsbild.

Wie sieht das Regionalpark-Programm für 2019 aus?

Wir arbeiten derzeit an einer Kilometrierung der Regionalpark Rundroute. Nullpunkt ist die Mündung des Mains in den Rhein. Im neuen Jahr soll ein weiterer Abschnitt eingeweiht werden. Ein anderes wichtiges Projekt wird 2019 die Erarbeitung eines Tourenguides sein. Unterstützt von der Wirtschaftsinitiative, soll ein Broschürenprodukt entstehen, das den Besuchern hilft, einfach durch die angebotenen Routen zu navigieren. In Sachen Events planen wir eine Discgolf-Veranstaltung und weitere Aktionen, die die Landschaft bespielen. Und natürlich wird auch wieder gefeiert – über das Jahr verteilt auf mehreren Routenfesten mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Hier kooperieren wir inzwischen viel mit den Landwirten der Region. Sie sind wichtige Freiraumakteure und bieten entlang der Routen ihre Hofstationen an. Ein Blick auf unsere Website lohnt sich! Die haben wir 2018 runderneuert und um viele Informationen und Suchmöglichkeiten, Ausflugstipps und Tourenvorschläge ergänzt.

Zu guter Letzt: Wenn Sie einen „Schuss frei" hätten, und das dürfen wir Sie als gelernten Forstwirt hoffentlich so formuliert fragen, welche Maßnahme würden Sie in der Metropolregion FrankfurtRheinMain gerne umsetzen?

In Hamburg gibt es eine Regelung, die mir sehr gut gefällt: den „Naturcent". Das ist eine Art ökologischer Finanzausgleich für den Flächenverbrauch. Wird irgendwo gebaut, fließt für jeden Quadratmeter Baufläche ein Zuschuss in die Pflege von Grünflächen, Parks, Naturschutzgebieten. Eine tolle Idee, Wachstum und grüne Lebensqualität zusammenzubringen. Das könnte ich mir für FrankfurtRheinMain auch sehr gut vorstellen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr unter:
www.regionalpark-rheinmain.de

Fotos © Regionalpark RheinMain / Stefan Cop

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