Wirtschaftsgespräche am Main 09.02.2018

Wirtschaftsgespräche am Main mit Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse

Von der Bücherschau zum Ideenfestival: Wie die Frankfurter Buchmesse den Wandel gestaltet

Sie macht die Stadt jedes Jahr im Oktober zum internationalen Publishing-Hotspot und ist ein zentrales Aushängeschild der Region: die Frankfurter Buchmesse, die als größte und wichtigste ihrer Art gilt. Grund genug, Juergen Boos zu den 99. Wirtschaftsgesprächen am Main ins Frankfurter Hotel InterContinental zu bitten. Den rund 80 anwesenden Mitgliedern und Gästen bot der Buchmesse-Chef nicht nur einen Streifzug durch die bewegte Geschichte und die politischen wie wirtschaftlichen Dimensionen der Schau, sondern machte auch deutlich, wo die Reise im digitalen Zeitalter hingeht. Die gute Nachricht für FrankfurtRheinMain: Um die Buchmesse und das Lesen ist ihm nicht bange.

Stadtgesellschaft mit Verantwortung

Frankfurt und die Buchmesse: Das gehört für Jürgen Boos einfach zusammen. Begonnen habe die gemeinsame Geschichte bereits im 15. Jahrhundert, als im nahen Mainz Johannes Gutenberg den Buchdruck erfand. Als Freie Reichsstadt und Handelszentrum mit selbstbewussten Kaufleuten sei Frankfurt dafür prädestiniert gewesen, auch Buchstadt zu sein: international, offen, lebendig, geschäftstüchtig, voller Ideen. „Wie tief diese Geisteshaltung in der DNA der Stadt verankert ist, habe ich sofort verstanden, als ich 2005 den Posten des Buchmesse-Direktors übernahm. Die Stadtgesellschaft fühlt sich für Frankfurt, die Region und ihre Wirtschaft verantwortlich. Das ist außergewöhnlich und mir bisher in keiner anderen Stadt so begegnet", spannte Boos hier auch den Bogen zu den Mitgliedern der Wirtschaftsinitiative.

Neustart nach dem Krieg

Im Zuge politischer und kultureller Umwälzungen sank der Stern der Buchstadt Frankfurt ab dem 18. Jahrhundert. In den 1930er Jahren sorgten die Repressionen der Nationalsozialisten gegen deutsch-jüdische Schriftsteller und Verleger schließlich für den Exodus der Buchbranche. 1949, vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, begann die Wiedergeburt und neue Zeitrechnung der Frankfurter Buchmesse, sinnbildlich in den Ruinen der mit Planen abgedeckten Paulskirche. Seither ist die Buchmesse Spiegelbild aller politischen Entwicklungen gewesen – von der 68er-Bewegung bis zum mit dem Tode bedrohten Autor Salman Rushdie und den jüngsten Konflikten um die Verlagspräsenz der Neuen Rechten.

Auf dem Weg in die Zukunft des Lesens

Heute ist die Frankfurter Buchmesse der weltweit größte Handelsplatz für geistiges Eigentum und Buchlizenzen. „Unsere Messe hat durch unseren klaren B2B-Fokus einen einzigartigen Charakter", betonte Boos. Zwei Drittel der über 7.000 Aussteller kommen aus dem Ausland. Die Fachbesucher stammen aus rund 150 Ländern. Dabei wächst die Zahl der Aussteller wie Besucher ständig. Ein Grund dafür: Die Messe setzt schon lange konsequent auf das Motto „Grenzüberschreitung" und öffnet sich seit über 20 Jahren konsequent dem digitalen Wandel und neuen Playern: Film- und Games-Experten, Business-Developer, IT-Spezialisten, Investoren, Start-ups, Blogger und viele mehr gehören inzwischen ganz selbstverständlich zur Community. Dazu entwickelt die Messe kontinuierlich neue Services und Produkte, so etwa eine Self-Publishing-Area oder Treffpunkte für digitale Innovatoren. Ein großer Publikumsmagnet ist zudem das seit 1976 erfolgreiche Konzept des wechselnden Gastlands. 2018 wird dies Georgien sein.

„Oft werde ich gefragt, was wir eigentlich das ganze Jahr über so machen, jenseits der fünf Messetage. Eine Menge! Neben der Vorbereitung der nächsten Messe sind wir gemeinsam mit unseren fünf Auslandsbüros als Partner des Auswärtigen Amts, des Bundeswirtschaftsministeriums und des Goethe-Instituts international aktiv, werben fürs Lesen und vermarkten den deutschen Buchhandel, der weltweit eine Vorbildfunktion hat", so Boos. Schließlich sei der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ja auch der Gesellschafter der Buchmesse. Daneben betätigt sich die Messe als Berater und Innovationstreiber, pusht die Interaktion zwischen Buch- und Filmindustrie und geht weitere Kooperationen ein, die den neuen Verwertungsketten des digitalen Wandels Rechnung tragen. Zudem hat die Messe auch ihr eigenes Geschäft mittels einer Transaktionsplattform für den Lizenzhandel digitalisiert.

Relevanz für die Region

Boos: „Wir verstehen uns als einen der größten Kulturmittler. Wenn an den Messetagen rund 10.000 Journalisten und Blogger von der Frankfurter Buchmesse berichten, schafft das nicht zuletzt für FrankfurtRheinMain eine enorme Öffentlichkeit. Zumal hier Millionen von Euro in der Stadt gelassen werden." Ziel sei es, künftig den Festival- und Event-Charakter noch weiter auszubauen und die ganze Energie der Buchmesse in die Stadt zu tragen. In der abschließenden, von F.A.Z.-Herausgeber Werner D'Inka moderierten Fragerunde wollte der Vorstandsvorsitzende der Wirtschaftsinitiative Prof. Dr. Wilhelm Bender von Juergen Boos noch eines wissen: Was kann die Region für die Buchmesse tun? Mehr Unterstützung und Wertschätzung durch die Politik wünscht sich der Messedirektor. „Ich habe das Gefühl, man nimmt uns manchmal für zu selbstverständlich."

Fotos: Kirsten Bucher

„Wirtschaftsgespräche am Main" ist ein exklusives Veranstaltungs- und Kooperationsformat, das die Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain gemeinsam mit der Messe Frankfurt, dem Hotel InterContinental Frankfurt und der F.A.Z. ausrichtet.

Das könnte Sie auch interessieren: