Wirtschaftsgespräche am Main 23.08.2017

Wirtschaftsgespräche am Main mit Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries

„Hauptsächlich Außenpolitikerin“

Noch kurz vor der Bundestagswahl am 24. September machte die amtierende Bundesministerin für Wirtschaft und Energie in der Heimatregion ihres Darmstädter Wahlkreises und bei den 97. Wirtschaftsgesprächen am Main Station. Megatrend Digitalisierung, Trump-Präsidentschaft, Brexit, Türkei, China, Diesel-Skandal, Air Berlin-Insolvenz: Angesichts der Fülle der anspruchsvollen Themen in diesem Amt kaum zu glauben, dass die erfahrene SPD-Politikerin sich erst im Legislatur-Endspurt dieser Herausforderung angenommen hat. Den Mitgliedern und Gästen der Wirtschaftsinitiative gab Brigitte Zypries trotz des laufenden Wahlkampfs tiefe Einblicke in die Tagespolitik und Ausblicke in die Zukunft Deutschlands und der Metropolregion FrankfurtRheinMain.

„Die wirtschaftlichen Perspektiven für Deutschland sind gut", startete Zypries ihren Vortrag. Kontinuierliches Wachstum, Rekordniveau bei der Beschäftigung und niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung sprächen eine deutliche Sprache. „Und: Der private Konsum hat in den letzten zwei Jahren zugelegt. Die Binnennachfrage der Exportnation Deutschland ist inzwischen ein stabilisierender Faktor." Zu monieren sei jedoch, dass der Wohlstand nach wie vor nicht bei allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen ankomme.

Digitalisierung, Digitalisierung, Digitalisierung

„Was mich besonders umtreibt, ist die Frage, wie wir es bewerkstelligen können, auch in fünf oder zehn Jahren noch so erfolgreich zu sein", so die Bundeswirtschaftsministerin. Die größte Herausforderung bleibe dabei die Digitalisierung. Drei zentrale Handlungsfelder ließen sich ausmachen. Nummer eins: der Ausbau des Glasfasernetzes. Bei der Datenübertragungsrate rangiert Deutschland im internationalen Vergleich nur auf Platz 26. „Wir brauchen dringend flächendeckende Gigabit-Netze – auch auf dem Land, wo viele unserer Hidden Champions sitzen." Eine Mammutaufgabe. Autonomes Fahren, E-Health oder Industrie 4.0 seien sonst nicht umzusetzen, führte Zypries weiter aus. Hier habe die Bundesregierung ihre gesteckten Ziele in der laufenden Legislatur verfehlt. Künftig müsse noch besser geklärt werden, woher das Geld für diese Investitionen kommen solle, beispielsweise aus einem Investitionsfonds.

Zweite „Baustelle" im Thema Digitalisierung: eine tragfähige Strategie. Zypries: „Alles, was digitalisierbar ist, wird digitalisiert werden. Den Wettlauf um Plattformen haben die USA gewonnen. Es macht keinen Sinn, in Europa das Silicon Valley zu imitieren. Wir müssen uns auf unsere Stärken fokussieren und diese ausbauen. Für Deutschland ist das Industrie 4.0." Zudem gelte es, eine digitale Ordnungspolitik zu gestalten und den Verbraucherschutz zu verbessern.

Drittens müsse die Politik gerade den Mittelstand auf dem Weg in die Digitalisierung mitnehmen. „Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll. Da bleibt wenig Zeit, sich intensiv mit der Digitalisierung zu beschäftigen." Als Unterstützungsmaßnahmen hätten sich hier digitale Musterfabriken und Start-up-Veranstaltungen bewährt, ebenso verspreche die Begründung von Digital Hubs das Heben neuer Potenziale. „In FrankfurtRheinMain teilen sich die Standorte Frankfurt und Darmstadt den Hub FinTech & Cybersecurity", schlug Zypries den Bogen zur Metropolregion.

Natürlich streifte die Bundeswirtschaftsministerin, die in der Vergangenheit sieben Jahre lang Bundesjustizministerin war und verschiedene Staatssekretärsposten innehatte, auch die großen Themen der Weltpolitik und die diversen Krisenfälle, die alle in ihrem Ressort landen. „Ganz ehrlich: Aktuell bin ich hauptsächlich als Außenpolitikerin unterwegs", bekannte Zypries.

In der abschließenden Diskussionsrunde hatten F.A.Z.-Redakteur Manfred Köhler und die Mitglieder der Wirtschaftsinitiative die Möglichkeit, ihre eigenen Fragen zu adressieren. Hier besonders von Interesse: der Brexit, die Chancen für die Metropolregion und die „endlich" gewährte Unterstützung der Bundesregierung bei der Bewerbung um die Übernahme der EU-Bankenaufsicht. Prof. Dr. Wilhelm Bender, Vorstandsvorsitzender der Wirtschaftsinitiative und ehemals Chef des Flughafenbetreibers Fraport, dankte Zypries nicht nur für ihr Kommen, sondern auch für ihre kürzlich geäußerten „klaren Worte zur wettbewerbsverzerrenden Luftverkehrssteuer", schon lange ein Dorn im Auge des Luftfahrtstandortes FrankfurtRheinMain.

Fotos: Kirsten Bucher

„Wirtschaftsgespräche am Main" ist ein exklusives Veranstaltungs- und Kooperationsformat, das die Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain gemeinsam mit der Messe Frankfurt, dem Hotel InterContinental Frankfurt und der F.A.Z. ausrichtet.

 

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