Wirtschaftsinitiative inside 11.05.2017

Airbus CEO Dr. Thomas Enders: „Flugzeuge sind heute um 80 Prozent leiser als früher“

Der Chef von Europas größtem Luft- und Raumfahrtkonzern zu Gast auf der Mitgliederversammlung der Wirtschaftsinitiative

Luftfahrt, Raumfahrt, Rüstung, europäische Politik: Einen einfachen Job hat Dr. Thomas Enders, von vielen Weggefährten kurz Tom genannt, ganz sicher nicht. Einen umso spannenderen aber allemal. Wie sieht die Zukunft des Fliegens aus? Wie lässt sich Fluglärm weiter reduzieren? Und wie kam es zu Treffen mit Neil Armstrong? Diese und andere Fragen stellten F.A.Z.-Redakteur Manfred Köhler und die Mitglieder der Wirtschaftsinitiative dem Mann an der Konzernspitze von Airbus.

Herr Dr. Enders, wie werden wir 2030 fliegen? Im Überschall über den Atlantik?

Bis 2030 sicher noch nicht. Wir haben keine Pläne für große kommerzielle Überschallflieger. Die Technologie ist  auf absehbare Zeit nicht vorhanden und der Betrieb nicht wettbewerbsfähig. Das liegt ganz einfach in der Natur der Sache. Der Treibstoffverbrauch steigt exponentiell mit der Geschwindigkeit. Und das wirkt nicht nur der Umwelt sondern auch jedem Business-Case zuwider. Der Hauptfokus liegt bei uns derzeit eher auf sehr viel geräuschärmerem, saubererem und komfortablerem Reisen und Fliegen – und weniger auf Schnelligkeit. Man darf nicht vergessen: Die Concorde ist ja auch eingestellt worden, weil sie sehr teuer zu betreiben war. Sie hat enorm viel Treibstoff verbraucht, durfte auf vielen Flughäfen nicht landen und wegen des Überschallknalls auch nur eingeschränkt über Land fliegen.

Wie sieht Ihre Prognose für den weltweiten Flugverkehr aus? Es heißt immer wieder, er verdoppele sich alle 15 Jahre.

Ja, das ist unsere Prognose. Wir haben derzeit rund 6.800 Flugzeuge in unserem Auftragsbuch und werden dieses Jahr wohl etwas mehr als 700 Stück produzieren. Das Wachstum kommt vor allem aus dem Asien-Pazifik-Raum. Für rund eine Milliarde Menschen ist Flugverkehr heute etwas sehr Normales, der Rest bietet demnach natürlich noch großes Potenzial. Kurzum: Für den Flugverkehr ist die Globalisierung in jedem Fall sehr positiv.

Wie sehen Sie die künftige Ausrichtung des Frankfurter Flughafens?

Derzeit gehört Frankfurt noch zu den größten Drehkreuzen, aber im globalen Wettbewerb droht der Flughafen zurückzufallen. Player wie Dubai oder Istanbul sind ja schon länger auf dem Vormarsch. Ein Flughafen, der wie Frankfurt sechs Stunden am Tag – das heißt drei Monate im Jahr! – seine Pforten schließt, wird mit dieser Dynamik nicht Schritt halten können. Aber Wettbewerb ist ja etwas Gutes, denn es zwingt einen, sich immer zu verbessern und neu zu erfinden. Einen generellen Verlust der Hub-Funktion – wie manchmal gemutmaßt wird – sehe ich hingegen nicht. „Hub to Hub" oder „Point to Point": Das ist kein Entweder-oder. Beides wird wichtig bleiben.

Sie sprachen eben davon, dass Fliegen in Zukunft noch lärmärmer werden wird. Gerade auch für FrankfurtRheinMain von zentraler Bedeutung, zumal in der politischen Debatte. Was können und werden Sie als Hersteller da tun?

Lärmreduktion ist in der Tat ein zentralesThema für uns Flugzeugbauer. Wir haben die Geräuschbelastung in den vergangenen 50 Jahren bereits deutlich reduziert. Flugzeuge sind heute um sage und schreibe 80 Prozent leiser als früher! Die Luftfahrtbranche hat sich zudem das Ziel gesetzt, den Lärm bis 2050, ausgehend vom Jahr 2000, um weitere 65 Prozent zu reduzieren. Das ist eine enorme technische Herausforderung. Auch alternative Antriebe werden hierzu einen Beitrag leisten, vor allem bei Starts und Landungen.

Stichwort alternative Antriebe: Wann geht das erste E-Flugzeug auf Linie?

Wir forschen in der Tat intensiv an Elektro-Antrieben und haben dabei insbesondere den Hybrid-Antrieb im Blick. In nicht allzu ferner Zukunft können wir uns vorstellen, ein Regionalflugzeug auf Basis dieser Technologie zu bauen. Das bräuchte in etwa 20 bis 40 Megawatt an elektrischer Energie. Die Speicherkapazitäten der Batterien sind aber nach wie vor eine große Herausforderung. Mit Solarzellen werden sie einen bis zu 500 Tonnen schweren Flieger so schnell nicht in die Luft bekommen.

Airbus war in diesem Jahr auf dem Genfer Autosalon vertreten. Was macht ein Flugzeughersteller auf einer Automesse?

Wir haben gemeinsam mit dem italienischen Designbüro von Audi eine Konzeptstudie angefertigt, wie man Technologien aus der Luftfahrt und der Automobilindustrie modular kombinieren könnte – in diesem Fall in einer Passagierkabine, die je nach Bedarf fahren oder fliegen kann, und zwar autonom und elektrisch. Eine spannende Sache, gerade für die Zukunft der urbanen Mobilität. Früher ging man bei wachsendem Stadtverkehr mit U-Bahnen unter die Erde. Wieso heute nicht den Luftraum nutzen? Zum Beispiel auf „Invisible Highways in the Sky", ein bisschen wie bei Star Wars. Technisch ist das absehbar möglich. Die größte Herausforderung ist die Regulierung, vor allem in Europa und den USA. Dynamische Regionen wie Asien werden daher nicht nur bei Tests, sondern auch bei Aufbau und Betrieb solcher Systeme die Nase vorne haben.

Sie schauen in die Zukunft der Mobilität. Wie geht es denn dem Unternehmen Airbus heute?

Gut! Trotz aller Herausforderungen, die es in unserem Geschäft natürlich gibt. Wir haben letztes Jahr knapp 67 Milliarden Euro Umsatz erzielt, davon fast 50 Milliarden im Bereich der kommerziellen Luftfahrt. Die größte Herausforderung ist, die Produktion hochzufahren – zum Beispiel bei der A350. Über 800 Stück unseres neuesten Langstreckenmodells sind bereits fest bestellt.

Und was machen Ihre „Sorgenkinder", die A380 etwa?

Bei der A380 bin ich nach wie vor optimistisch. Wenn sich der Luftverkehr alle 15 Jahre verdoppelt und Flughäfen an Kapazitätsgrenzen stoßen, dann ist die A380 die Lösung. Daran glauben wir weiterhin. Aber wir sind natürlich auch Realisten und fahren deshalb erst einmal aufgrund der momentanen Marktlage die Produktion zurück. Aber ein riesiger Markt wie China hat beispielsweise bislang erst fünf A380 in Betrieb. Daran sehen Sie, wie groß das Potenzial der A380 noch ist. Zudem lieben die Passagiere dieses Flugzeug und wollen unbedingt mit der A380 fliegen. Das wissen auch die Airlines.

Wie sieht es mit der A400M aus?

Bei der A400M haben wir in den vergangenen zwei Jahren erhebliche Fortschritte bei der Produktion erzielt. Zwar ist der Flieger heute noch nicht mit allen militärischen Fähigkeiten ausgestattet, aber er kann durchaus schon in den Einsatz geschickt werden. Die Franzosen und Briten haben dies bereits getan. Die A400M kann auf sehr kurzen Bahnen landen, große Lasten bewegen und sich selbst verteidigen. Gewiss: Wir haben bei diesem Programm Fehler gemacht, etwa indem wir den Kunden Zusagen für Technologien gemacht haben, die am Rande des technisch-physikalisch Machbaren liegen. Das hat uns in Schwierigkeiten gebracht. Unsere Ursünde war, dass wir einen Vertrag unterschrieben haben, wo wir die Gesamtverantwortung für die Triebwerke übernommen haben. Das baden wir gerade aus. Wie dem auch sei: Wir arbeiten hart daran, die A400M zu verbessern und den Kunden das beste verfügbare Flugzeug zu liefern. Und bereits jetzt ist die A400M das mit Abstand modernste Militärtransportflugzeug seiner Art. Insofern ist es auch nicht ausgeschlossen, dass wir hier eines Tages auch noch mit den USA ins Geschäft kommen.

Apropos USA und auch die politische Lage in Europa: Wie bewerten Sie die ersten 100 Tage von US-Präsident Donald Trump? Und betrifft Sie der Brexit?

Unsere britischen Standorte gehören zu den wettbewerbsfähigsten im gesamten Unternehmen – das spielt für uns in der Bewertung der Brexit-Folgen natürlich eine zentrale Rolle. Zu Trump fällt mir ein: Wo man ihm recht geben muss, ist, dass Europas „Trittbrettfahrerei" bei den Militärausgaben vorbei sein muss.

Wie schätzen Sie China als Player auf dem Flugzeugmarkt ein?

Die Chinesen entwickeln ja bereits Flugzeuge. Um 2030 herum werden sie in der Luft- und Raumfahrt definitiv vorne mitspielen. Zunächst werden sie ihren eigenen großen Markt prägen, dann auch Märkte außerhalb Chinas. In Europa tendieren manche ja immer noch dazu, China als das Land der „Copycats" zu sehen. Aber das stimmt schon lange nicht mehr. Künftig werden viele Innovationen in China entstehen, davon bin ich überzeugt. Deshalb überlegen wir auch, dort ein Innovationszentrum zu eröffnen.

Zum Schluss noch eine spezielle Frage: Stimmt es, dass Sie Neil Armstrong getroffen haben? Und wie kam es dazu?

Ja, das stimmt. Ich hatte das große Glück, Neil Armstrong in seinen letzten 15 Lebensjahren einige Male zu treffen. Es war immer ein tolles Erlebnis, diesem Mann zuzuhören. Sobald sie ihn näher kennenlernen konnten, haben sie sofort verstanden, warum er für die Mondmission ausgewählt wurde: Er war ausgesprochen ruhig und besonnen. Kurz: Einen besser geeigneten ersten Mann auf dem Mond hätte die NASA wohl kaum finden können.

Vielen Dank für das Gespräch.

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