Wirtschaftsgespräche am Main 14.10.2016

Wirtschaftsgespräche am Main mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles

Fachkräfte, Flüchtlinge, Arbeit 4.0

Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, hat wohl einen der härtesten Jobs im Bundeskabinett von Kanzlerin Angela Merkel. Sie wacht über 138 Milliarden Euro – und damit über fast die Hälfte des gesamten Bundeshaushalts. Arbeitslosigkeit und Ausbildung, Mindestlohn, Rente, und Hartz 4: Alles, was in ihren breiten Verantwortungsbereich fällt, ist gesellschaftspolitisch essentiell und wird meist entsprechend kontrovers diskutiert. Bei den 94. Wirtschaftsgesprächen am Main suchte sie nun den engen Austausch mit den Machern der Metropolregion FrankfurtRheinMain. Ihre Themen: Wie begegnen wir dem zunehmenden Fachkräftemangel? Wie bringen wir Flüchtlinge in Arbeit? Wie realisieren wir die digitale Transformation? Und vor allem: Wie gelingt das Politik und Wirtschaft gemeinsam?

Fachkräfte gesucht

Rund eine Million fehlt – und das nicht nur im Führerstand von Zügen oder im Heizungsbau: Der Mangel an qualifizierten und geeigneten Fachkräften hat bereits viele Berufsgruppen erreicht. Tendenz steigend. Ein Thema, das die Unternehmer in FrankfurtRheinMain und die Wirtschaftsinitiative schon seit Jahren umtreibt. Bundesministerin Nahles hatte hierzu viele konkrete Zahlen und Fakten für die Gäste in petto. So startet in Kürze in ganz Baden-Württemberg ein Modellprojekt – als Testlauf für ein Zuwanderungsgesetz. Nach einem kriterienbasierten Punktesystem „à la Kanada" soll beruflich qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten die Zuwanderung ermöglicht werden. Das zukunftsweisende und vielversprechende Projekt sei durch die Flüchtlingsthematik in der öffentlichen Wahrnehmung weitestgehend untergangen, wie Nahles berichtete.

Zur Fachkräftesicherung schaut die SPD-Politikerin aber natürlich auch nach Innen. „Unser größtes Potenzial sind hier nach wie vor die Frauen." Deutschland habe bei der Frauenerwerbsquote enorm aufgeholt – dem Recht auf Teilzeit sei Dank. Doch jetzt gehe es darum, Frauen den Weg zurück zur Vollzeit oder Arbeitszeitaufstockung deutlich leichter zu machen. Auch den Kontakt zwischen Arbeitsagenturen und Schulen wolle man verbessern, um Schulabgänger zum Beispiel gezielter in sogenannte Mangelberufe vermitteln zu können.

Schlaflose Nächte

Fachkräftemangel hin oder her – mit der Flüchtlingsthematik solle dieser nach Möglichkeit nicht vermischt werden, so Nahles. Einige schlaflose Nächte habe ihr die Frage, wie eine Million geflüchtete Menschen in Arbeit gebracht werden können, auf jeden Fall bereitet. „Es wird uns gelingen, aber es wird dauern – sicher sieben oder acht Jahre. Ich setze hier stark auf das Handwerk und den Mittelstand", richtete sie sich direkt an den Gästekreis im Frankfurter InterConti. Die Politik sei dabei, bestehende gesetzliche Hürden zu beseitigen, so etwa die Abschaffung der verpflichtenden Vorrangprüfung in den Arbeitsagenturen. „Und wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das Erlernen der deutschen Sprache und das Sammeln betrieblicher Erfahrungen stärker parallel verlaufen können."

Digitalisierung und Fluidisierung

Keine Überraschung: Ein Fokusthema des Bundesarbeits- und Sozialministeriums muss natürlich auch der Megatrend Digitalisierung sein – in der Wirtschaft häufig mit dem Schlagwort Industrie 4.0 versehen. „In diesem Konzept kommen mir bislang aber eindeutig die Aspekte Arbeit 4.0 und Qualifikation 4.0 zu kurz", machte die Ministerin deutlich. Die Digitalisierung beschleunige die Fluidisierung zwischen Arbeits- und Lebenswelt und verlange nach flexibleren Regelungen mit Blick auf Arbeitszeiten. Arbeitnehmer weiterzubilden und fit für die digitale Arbeitswelt zu machen, müsse zudem Teil einer Qualifizierungsoffensive sein. „Hier dürfen Sie viele Angebote und Vorschläge aus meinem Haus erwarten." Lösungen müssten Politik und Wirtschaft dann gemeinsam finden.

In einer abschließenden Fragerunde stand Andrea Nahles den Mitgliedern der Wirtschaftsinitiative schlagfertig Rede und Antwort. Diskussionsstoff gab es mehr als genug. Vorstandsvorsitzender Prof. Wilhelm Bender und Geschäftsführerin Annegret Reinhardt-Lehmann dankten der Bundesministerin herzlich für ihr Kommen und für ihren engagierten Vortrag. 

Fotos: Kirsten Bucher

„Wirtschaftsgespräche am Main" ist ein exklusives Veranstaltungs- und Kooperationsformat, das die Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain gemeinsam mit der Messe Frankfurt, dem Hotel InterContinental Frankfurt und der F.A.Z. ausrichtet.